Die "Vote Leave"-Kampagne soll einen Überschuss an Geldern unerlaubt an eine andere Anti-Brexit-Kampagne umgeleitet haben.

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London – Die britische Wahlaufsicht ist zu dem vorläufigen Schluss gekommen, dass die Brexit-Befürworter 2016 bei ihrer Kampagne für einen EU-Austritt Großbritanniens gegen Kostenvorgaben verstoßen haben. Das teilte die Kampagne Vote Leave, die für den Brexit geworben hatte, am Mittwoch in einem ungewöhnlichen Schritt selbst mit. Zugleich warf sie der Wahlaufsicht eine unfaire Untersuchung vor, die zu falschen Schlussfolgerungen geführt habe.

An Vote Leave hatten sich politische Schwergewichte wie der heutige britische Außenminister Boris Johnson beteiligt. In dem Referendum vor zwei Jahren stimmte schließlich überraschend eine knappe Mehrheit für den EU-Austritt, der nun bis zum 29. März 2019 vollzogen werden muss. Die Wahlaufsicht wirft Vote Leave vor, eine Spende von mehr als 600.000 Pfund (680.000 Euro) der kleineren Pro-Brexit-Kampagne BeLeave zugeschoben zu haben, um ihre eigene Obergrenze für Kampagnenausgaben von sieben Millionen Pfund nicht zu überschreiten.

Absprachen nicht erlaubt

Eine solche Umleitung von Spendengeldern für sich genommen ist nicht verboten. Allerdings dürfen die beteiligten Kampagnengruppen sich nicht miteinander abstimmen, was Vote Leave und BeLeave nach Angaben von Informanten aber getan haben sollen.

Sollte dieser Regelverstoß offiziell bestätigt werden, droht Vote Leave eine hohe Geldstrafe. Die Bedeutung der Angelegenheit geht aber weit darüber hinaus, weil es in Großbritannien erhebliche Zweifel gibt, ob das Brexit-Votum auf faire Weise zustande kam.

Vote Leave legte in einer ausführlichen Erklärung dar, dass die Vorwürfe einer genauen Überprüfung nicht standhalten würden. Die Kampagnengruppe warf der Wahlaufsicht unter anderem vor, während ihrer Untersuchung in den vergangenen zwei Jahren keinen einzigen hochrangigen Vertreter von Vote Leave befragt zu haben. Dies verstoße gegen die Regeln, sagte der frühere Kampagnenchef Matthew Elliot dem britischen Fernsehsender Sky News.

Prüfung von Einwänden

Ein Sprecher der Wahlaufsicht erklärte, Vote Leave habe 28 Tage Zeit bekommen, um vorläufige Erkenntnisse zu den Verstößen zu kommentieren. Diese Frist sei am Dienstag abgelaufen. Der "ungewöhnliche Schritt" von Vote Leave, seine Sicht auf die vorläufigen Untersuchungsergebnisse öffentlich zu machen, werde das gesetzlich geregelte Prüfverfahren nicht beeinflussen.

Der Sprecher kündigte an, die Wahlaufsicht werde die Einwände von Vote Leave nun prüfen. Danach werde sie "zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen gründlichen und ausführlichen Abschlussbericht vorlegen". (APA, 4.7.2018)