Statt 52,5 Millionen Euro soll es vom Bund künftig deutlich weniger für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen geben.

Foto: Fatih Aydogdu

Frage: "Kinderbetreuungsangebote müssen weiter flächendeckend ausgebaut werden", heißt es im türkis-blauen Regierungsprogramm. Setzen ÖVP und FPÖ dieses Versprechen in die Tat um?

Antwort: Die Zahlen aus dem Budget lassen Zweifel daran aufkommen. Von den bislang für die Kindergärten vorgesehenen 140 Millionen Euro, die der Bund den Ländern über sogenannte 15a-Vereinbarungen zuschießt, scheinen nur noch 90 Millionen gesichert – und zwar für sprachliche Frühförderung (derzeit 20 Millionen) und Zuschüsse zum Gratiskindergartenjahr (aktuell 70 Millionen). Offiziell ist alles noch "Gegenstand von Verhandlungen", aber Bogner-Strauß ließ bereits durchklingen, dass es weniger gibt. Der Budgetbericht des Finanzministers weist eine Kürzung von 52,5 Millionen Euro aus.

Frage: Wie argumentiert Bogner-Strauß, dass Kürzungen verkraftbar seien?

Antwort: Die ÖVP-Politikerin spricht nicht davon, den Sparstift generell anzusetzen, sondern unterscheidet nach Altersgruppen. Den Fokus wolle sie auf die unter Dreijährigen legen, von denen in Österreich 26,1 Prozent in eine Kinderkrippe oder gleichartige Einrichtung gehen: Die Quote hat sich binnen zehn Jahren zwar mehr als verdoppelt, liegt aber immer noch unter dem EU-weiten "Barcelona-Ziel" von 33 Prozent. Von den Bundesländern liegt nur Wien mit 44,2 Prozent darüber, Schlusslicht ist die Steiermark mit 14,8 Prozent.

Keinen weiteren Ausbau brauche es hingegen bei den Kindergartenplätzen für die Drei- bis Fünfjährigen, sagt Bogner-Strauß und verweist auf die hier viel höheren Betreuungsquoten. Laut Statistik Austria gehen bereits 93,7 Prozent der Mädchen und Buben dieser Altersgruppe in einen Kindergarten, die Spannweite reicht von 97,8 Prozent im Burgenland bis 88,1 Prozent in Kärnten.

Frage: Ist da die Konzentration auf die kleineren Kinder nicht logisch?

Antwort: Dass die Priorität bei den unter Dreijährigen liege, sei sinnvoll, sagt Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut: Selbst wenn die 33 Prozent bald erreicht würden, sei nicht gesagt, dass der Bedarf damit befriedigt ist. Aber das heiße nicht, ergänzt sie, dass deshalb das Angebot für die Älteren vernachlässigt werden dürfe.

Weniger gnädig urteilt Arbeiterkammer-Chefin Renate Anderl: "Wer behauptet, dass nicht mehr in die Betreuung der Drei- bis Sechsjährigen investiert werden muss, hat noch nie Beruf und Familie vereinbaren müssen."

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Frage: Wieso, wenn doch fast alle Drei- bis Fünfjährigen in den Kindergarten gehen?

Antwort: Die Quote von 94 Prozent allein verrät nicht, wie viele Stunden am Tag eine Einrichtung offensteht. Ein genauerer Blick in die Kindertagesheimstatistik zeigt, dass Eltern, die beide Vollzeit arbeiten wollen, vielerorts außerhalb Wiens aufgeschmissen sind. Haben in der Hauptstadt 85 Prozent der Kindergärten bis nach 17 Uhr geöffnet, so sind es in den restlichen acht Bundesländern im Schnitt nur 22 Prozent. Fast die Hälfte der Institutionen außerhalb Wiens sperrt um 15.30 Uhr oder früher zu, in der Steiermark etwa haben knapp 50 Prozent bereits um 14 Uhr geschlossen.

Passend zur Debatte über den Zwölfstundenarbeitstag: Sofern Eltern ihre Sprösslinge eine derart lange Zeit unterbringen wollen, bieten derzeit nur acht Prozent der Kindergärten ein passendes Angebot. Abzüglich der Bundeshauptstadt ist es nur ein Prozent.

Frage: Und wie oft sperren Kindergärten überhaupt den ganzen Tag zu?

Antwort: Auch hier zeigt sich ein Gefälle: Wiens Kindergärten verzeichnen im Schnitt drei Schließtage pro Jahr, viele andere Länder hingegen 30 und mehr. Das Extrem ist Tirol mit 42,5 Schließtagen. Dass es Bedarf gibt, bei den Öffnungszeiten nachzubessern, sieht man auch im Büro der Ministerin so.

Frage: Was meint die Familienministerin, wenn sie von einer "Flexibilisierung" der Betreuung zu den Tagesrandzeiten spricht – entweder durch Gruppenzusammenlegungen oder Tagesmütter?

Antwort: Hier gehe es darum, "das Verständnis dafür zu schärfen, dass es auch andere Betreuungsmethoden als den Kindergarten gibt", erklärt ein Sprecher. Wenn der Kindergarten zu Mittag schließe, könne danach von Tagesmüttern übernommen werden.

Frage: Wie wurden die 52,5 Millionen Euro vom Bund bisher eigentlich eingesetzt?

Antwort: Im Familienministerium hat man dazu Daten von 2016. Es zeigt sich: 33 Prozent der Mittel wurden für den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige verwendet, 20 Prozent flossen in zusätzliche Plätze für Drei- bis Sechsjährige. Weitere 30 Prozent der Fördersumme wurden zur "räumlichen Qualitätsverbesserung" abgeholt, fünf Prozent zur "Verbesserung des Betreuungsschlüssels". Lediglich ein Prozent der Mittel wurde in bessere Öffnungszeiten investiert.

Frage: Wie reagieren die Gemeinden auf die drohende Mittelkürzung?

Antwort: Gemeindebundpräsident Alfred Riedl warnt vor Sparmaßnahmen im Kindergartenbereich: "Das geht so nicht. Wir brauchen die 140 Millionen Euro, um den Betrieb aufrechtzuerhalten." Er erneuert auch die Kritik am zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr, das ebenfalls in Verhandlung ist. Wenn das komme, "würden den Gemeinden noch mehr Mittel fehlen. Bereits das erste Gratiskindergartenjahr hat uns 100 Millionen Euro gekostet, und nur 70 Millionen wurden uns ersetzt", erklärt Riedl.

Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Antwort: Bislang hat es erst einen Verhandlungstermin auf Beamtenebene gegeben – im Mai. Wann die nächste Runde, einberufen von Familien- und Bildungsministerium, stattfinden soll, ist noch offen. Die Zeit drängt: Bereits im August laufen zwei von drei 15a-Vereinbarungen aus. Am Ende soll es statt drei Einzellösungen ein Gesamtpaket geben, auch eine längere Laufzeit ist im Gespräch. (Gerald John, Karin Riss, 5.7.2018)