Es war der Anbruch einer neue Ära: Im August 2016 durchquerte erstmals ein großes Kreuzfahrtschiff die Nordwestpassage. Im Jahr darauf durchfuhr ein Schiff ohne Hilfe eines Eisbrechers die Nordostpassage. Der Rückgang des Meereises in Folge des Klimawandels lässt immer mehr Schiffsverkehr in der Arktis zu, die schiffbare Saison verlängert sich: So hat die arktische Meereisbedeckung im Monat September seit 1979 um durchschnittlich 14 Prozent pro Dekade abgenommen. Selbst eine Route über den Nordpol könnte in einigen Jahrzehnten schiffbar sein.

Belugawale vor Grönland.
Foto: PNAS

Lärm und Dreck

Damit dringt der Mensch immer weiter in Ökosysteme vor, die bisher weitgehend unberührt geblieben sind. Welche Auswirkungen hat das auf die Meeressäugetiere der Arktis? Forscher um Donna Hauser von der University of Alaska in Fairbanks haben in einer Studie die möglichen Folgen eruiert und untersucht, welche Tiere am stärksten vom Verkehr betroffen sind. Für ihre Arbeit im Fachblatt "PNAS" untersuchten Hauser und Kollegen 80 Populationen der sieben Meeressäuger in der Region: Belugawale, Narwale, Grönlandwale, Ringelrobben und Bartrobben, Walrosse und Eisbären.

Narwale sind durch die Schifffahrt besonders stark beeinträchtigt.
Foto: PNAS

Meerengen mit Konfliktpotenzial

Für jede Population wurde die Gefährdung anhand von zwei Faktoren berechnet: wie sich die großen Schifffahrtswege mit dem Lebensraum dieser Gruppe überschneiden und wie empfindlich die Spezies auf den Schiffsverkehr reagiert. Das Resultat: 42 der 80 Populationen sind vom steigenden Verkehr unmittelbar betroffen, wobei es zwei besonders enge Konfliktzonen gibt: In der Beringstraße und dem Lancastersund in Nordkanada passieren Schiffe besonders stark von Tieren frequentierte Regionen.

"Diese Meerengen werden von wandernden Arten als Ein- und Ausgänge in die Arktis genutzt", sagte Hauser. Und das gilt eben auch für Schiffe. Die Auswirkungen für die Meeressäuger sind unterschiedlich drastisch, am stärksten gefährdet sind die Narwale. "Sie haben alle Eigenschaften, die sie anfällig machen", sagte Kristin Laidre von der University of Washington, Co-Autorin der Studie. "Sie sind sehr unflexibel und halten sich im Sommer stets in spezifischen Gebieten auf, die ausgerechnet mitten auf den Hauptschifffahrtsrouten liegen." Zudem seien sie besonders sensibel gegenüber Schiffslärm: Sie sind sehr schreckhaft und nutzen zur Kommunikation und zur Nahrungssuche ein Sonarsystem im Ultraschallbereich."

Ein Grönlandwal taucht auf.
Foto: PNAS

Richtlinien gefordert

Auch für einige Populationen der Belugawale, Grönlandwale und Walrosse sei die Belastung groß. Ringelrobben, Bartrobben und Eisbären seien hingegen weniger betroffen, so die Forscher: Die Robbenpopulationen seien vergleichsweise groß und über weite Gebiete verstreut, während sich Eisbären in der verlängerten Schifffahrtssaison größtenteils an Land aufhalten würden und nicht auf Unterwasser-Kommunikation angewiesen seien.

Die Forscher betonen, dass die Datenlage ihrer Studie unvollständig ist. Die Untersuchung würde jedoch einen ersten Rahmen zur Risikoabschätzung bieten: Nun sei dringend mehr Forschung nötig, um die Folgen des zunehmenden Schiffsverkehrs auf die arktischen Ökosysteme besser untersuchen zu können – und Richtlinien zu schaffen, wie zumindest die wichtigsten Habitate der Meeressäuger geschützt werden könnten. (dare, 8.7.2018)