Dennis Novak schaffte die Qualifikation, schlug dann Polansky und Pouille. Nun wartet Raonic.

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Günter Bresnik neigt nicht dazu, aus dem Häuschen zu geraten, also stellt er trocken fest: "So überraschend ist es auch wieder nicht, er hat eben Potenzial." Er ist Dennis Novak. Dieser Tage steht der 24-jährige Niederösterreicher mittendrin im ganz großen Tennis. Er fordert in der dritten Runde von Wimbledon (Freitag 3. Match nach 13 Uhr) den Kanadier Milos Raonic. Sein Plan lautet: "Unbekümmert sein, mich nicht ergeben." Novak wird seit rund zehn Jahren von Bresnik und Wolfgang Thiem trainiert, die beiden kümmern sich bekanntlich auch um Dominic Thiem. Wolfgang ist zusätzlich der Vater.

Das Leben schreibt mitunter lustige Geschichten. Der am 28. August 1993 geborene Novak ist sechs Tage älter als Thiem, beide wurden im Krankenhaus in Wiener Neustadt entbunden, sie kennen sich von Geburt an. Sie verbrachten ihre Kindheit mehr oder weniger gemeinsam, spielten miteinander Tennis, besuchten dieselbe Schule. Novak: "Er ist mein bester Freund."

Am Gipfel

Der beste Freund ist in Wimbledon frühestmöglich gescheitert. Bresnik ist es gewohnt, bei Grand-Slam-Turnieren lange zu verweilen. Aber nicht wegen Novak. In der zweiten Runde hat der den Franzosen Lucas Pouille geschlagen, die Nummer 19 der Welt. Das Spiel war eine Berg-und-Tal-Fahrt, sie endete am Gipfel. Novak führte 6:4, 6:2, hatte im Tiebreak des dritten Satzes zwei Matchbälle, verlor es und den vierten Satz (3:6). Im fünften Abschnitt hat er dann aufgegeigt (6:2).

Was Bresnik imponiert hat. "So eine Dramaturgie bringt Selbstvertrauen. Ihm wurde oft vorgeworfen, mental schwach zu sein. Das hat er nun widerlegt." Novak selbst sagt dem Standard: "Es war der Beleg, dass ich physisch und psychisch fit bin." Für Bresnik ist es nahezu logisch, dass der (erste) Durchbruch auf Rasen stattfindet. "Er retourniert flach, erkennt Situationen schnell, hat eine enorme Auffassungsgabe, improvisiert."

Das gemeinsame Training mit Thiem ist wohl der Schlüssel. "Ich habe den Luxus, mit einem Topspieler zu arbeiten. So lerne ich Tempo, Schnelligkeit, Wucht. Dominic zeigt mir vor, wie es geht."

"Einstellung und Arbeitswille entscheiden"

Bresnik sagt: "Er zieht das Programm von Dominic problemlos durch, ist gut ausgebildet." Tennis sei nicht eine Frage von Talent. "Einstellung und Arbeitswille entscheiden." Novak sei ein Mensch, "der alles hinterfragt, widerspricht, seine eigene Meinung äußert. Das ist gut so. Bei mir macht er das in tennisspezifischen Dingen nicht. Er ist eben überzeugt, dass ich mich auskenne. In aller Bescheidenheit stimmt das ja."

Novak fühlt sich in Wimbledon "wohl und nicht im falschen Film. Ich weiß ja, dass ich Potenzial besitze. Es ist wunderbar, Teil der großen Aufführung zu sein." Ob es ein Vorteil ist, erst mit 24 aufzufallen? "Ich weiß es nicht. Aber es ist keine Frage des Alters, mit Erfolgen umzugehen." Bresnik widerspricht nicht. "Dominic etwa hat sich in den vergangenen Jahren charakterlich nicht verändert, er ist immer er selbst geblieben."

Der Aufschlag

Vor einem Jahr wurde Novak durch eine Knieverletzung zurückgeworfen. "Da habe ich gemerkt, wie sehr ich den Sport vermisse." Als Nummer 171 der Rangliste muss er sich meist auf der Challenger-Ebene vergnügen oder ärgern. Zu den kleinen Turnieren wird er von Peter Znenahlik begleitet. Der ehemalige Eishockeyspieler ist auch im großen Wimbledon dabei. Novak beschäftigt sich intensiv mit Raonic. Der Kanadier will den Titel gewinnen. 2016 unterlag er im Finale Andy Murray. Er wird sich vor Novak aufbauen, aufgrund seiner Größe von 1,96 Metern ist der Aufschlag widerlich. Bresnik glaubt an seinen Schützling: "Er wird sich den Hintern aufreißen, versuchen, sein Service zu halten. Er muss Raonic bewegen." Novak steht am Sprung in die Top 100, für Kitzbühel hat er eine Wild Card bekommen. In Wimbledon hat er 113.000 Euro verdient, im Leben davor waren es 250.000, damit konnten Spesen gedeckt werden.

Novak sagt: "Ich bin auf einem guten Weg, habe nie an mir gezweifelt. Im Tennis kannst du nur verlieren oder gewinnen. Egal, wer der Gegner ist. Ich werde gegen Raonic vollfit sein und ihm alles abverlangen." (Christian Hackl, 5.7.2018)