Martin Ohneberg beliefert mit Henn internationale Autoproduzenten.

Foto: Lisa Mathis

Zur Eröffnungsparty des neuen Firmenstandorts holte sich Martin Ohneberg Michi Beck von den Fantastischen Vier. Seine Firma Henn, ein Automobilzulieferer, produziert an einem historischen Ort. Ohneberg hat mit der Firma Hämmerle die frühere Garnfärberei im Dornbirner Stadtteil Steinbach saniert. Auf drei Geschoßen wird Verbindungstechnologie entwickelt und produziert. Das Gebäude krönt ein Glaskasten, der Thinktank, gleich daneben kann man die Dachterrasse von Henns Kitchen, der firmeneigenen Kantine, genießen. Der IV-Präsident mag es stylish.

STANDARD: Sie arbeiten im Großraumbüro, warum gibt es bei Ihnen keine Chefetage?

Ohneberg: Mir ist es wichtig, ein Teil des Teams zu sein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen einen einfachen Zugang zum Chef haben. Mein Arbeitsplatz ist direkt neben dem Eingang, so bekomme ich sehr gut mit, wie die Leute drauf sind, wenn sie kommen, wie die Atmosphäre im Team ist. Unternehmenskultur, die Stimmung und damit das Wohlbefinden, sind für mich extrem wichtig.

STANDARD: Ihr neues Headquarter bietet Wohlfühlarbeitsplätze – stylish, ergonomisch samt hipper Kantine, die Henns Kitchen heißt. Wollen Sie so den Zwölf-Stunden-Arbeitstag erträglicher machen?

Ohneberg: Ich lege Wert auf ein schön gestaltetes Umfeld. Man verbringt sehr viel Zeit am Arbeitsplatz, diese Zeit soll eine sinnvolle, qualitative Zeit sein. Arbeit muss auch Spaß machen, sonst sind Erfolg und Motivation nicht gegeben. Henns Kitchen hat eine Dachterrasse und günstige Preise, ich kann mich am Mittag zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern setzen, so kommen wir ins informelle Gespräch.

STANDARD: Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Leute zwölf Stunden arbeiten?

Ohneberg: Das ist teilweise schon so. Wir haben viele Monteure, deren Reisezeiten gelten ja auch als Arbeitszeit. Sie sind oft länger als zwölf Stunden unterwegs. Mir ist wichtig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter generell im Rahmen ihrer Arbeitszeit bleiben, aber das geht nicht immer. In der Automobilindustrie muss eine Reklamation innerhalb von 24 Stunden abgearbeitet sein, das ist Standard. Da muss man manchmal auch länger arbeiten, ich habe aber kein Problem, wenn die Zeit am nächsten Tag eingeholt wird. Ich setze da auf Eigenverantwortung.

STANDARD: Sie sind ein Unternehmer, der Politikern gerne sagt, was sie besser machen sollten. Ist die neue Arbeitszeitregelung durchdacht?

Ohneberg: Es ist richtig und wichtig, die mögliche Tageshöchstarbeitszeit auch in der Wirtschaft auf zwölf Stunden zu erhöhen. Es gibt bereits Berufsgruppen, die höhere Arbeitszeiten haben. Im Gesundheitsbereich zum Beispiel. Wir brauchen einen klaren gesetzlicher Rahmen, der vorgibt, was erlaubt ist. Wir müssen weg vom Graubereich, möglichst alle sollten die gleichen Rahmenbedingungen haben. Zurzeit geht jeder mit Gleitzeit anders um, es gibt unterschiedliche Modelle. Überstundenzuschläge muss es aber weiter geben, auch die jetzt festgeschriebene Freiwilligkeit der Mehrarbeit ist wichtig.

STANDARD: Ist die Vorgangsweise der Regierung richtig?

Ohneberg: Wie das die Regierung gemacht hat, mit einem Initiativantrag, darüber kann man diskutieren. Aber die Sozialpartner hätten über viele Jahre Zeit gehabt, selber eine Lösung zu finden.

STANDARD: Die Gewerkschaft sieht das anders.

Ohneberg: Im Moment wird zu ideologisch diskutiert. Die SPÖ hat sich noch nicht mit der Oppositionsrolle abgefunden. Es geht um einen Machtkampf, nicht um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Schade, denn man dividiert Arbeitnehmer und Arbeitgeber auseinander.

STANDARD: Kann aus dem gegenwärtigen Konflikt eine für beide Seiten tragbare Lösung entstehen?

Ohneberg: Ich bin zwar immer dafür, miteinander zu reden. Aber im Moment ist die Situation so verfahren, dass die Regierung handeln musste. Die Regierung hat das zu Recht durchgesetzt.

STANDARD: Im eigenen Betrieb setzen sie aber auf Dialog.

Ohneberg: Natürlich. Die Nachfrage nach guten Mitarbeitern und Fachkräften ist groß, sie zu finden sehr schwierig. Motivierte Mitarbeiter sind in unserem ureigenen Interesse. Außerdem macht mir selbst die Arbeit Spaß, wenn ich weiß, dass auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Freude an der Arbeit haben.

STANDARD: Sie kommen aus der Finanzbranche – was hat Sie motiviert, in einen Industriebetrieb zu investieren?

Ohneberg: Ich wollte immer Unternehmer werden, schon in der Handelsakademie. Ein eigenes Produkt zu verkaufen, das man in die Hand nehmen kann, war mir wichtig. Meine Eltern waren keine Unternehmer, ich musste mir das erarbeiten. Als Funktionär in der Jungen Industrie habe ich viele Unternehmer kennengelernt und gemerkt, dass sie auch nur mit Wasser kochen.

STANDARD: Wie haben Sie begonnen?

Ohneberg: Zuerst habe ich das Online-Auktionshaus OneTwoSold mit aufgebaut, dann aus dem heraus die Dorotheum-Akquisition gemacht, da hab ich zum ersten Mal 300.000 Euro Kredit mit Privathaftung aufgenommen, um Anteile zu kaufen. Die habe ich später ans Management verkauft und das Geld auf die Seite gelegt. Die nächsten Stationen waren Vorstand bei der Soravia-Gruppe, Akquisition und Verkauf der Mineralwasserfirma Devin. Als ich knapp 40 Jahre alt war, habe ich mir gesagt: Jetzt oder nie. Denn wenn man älter wird, nimmt die Risikofreudigkeit ab. Ich habe mir dann verschiedene Unternehmen angeschaut, überall, auch in Osteuropa. Dann wurde ich auf Henn aufmerksam. Der richtige Ort, die richtige Zeit, Glück und Fleiß – es hat funktioniert

STANDARD: Und gute Freunde waren schon auch wichtig.

Ohneberg: Ein gutes Netzwerk braucht man immer. Mein Freund und Geschäftspartner Michael Tojner ist bei Henn mit dabei, aber ich bin Mehrheitseigentümer. Die Firma läuft sehr gut, ein bisschen schaut es nach Bilderbuch aus, aber mir ist klar, das kann schnell anders sein. Da bin ich froh, jemanden zu haben, der mir unter die Arme greifen kann.

STANDARD: Ihr Start war überschattet durch einen Prozess wegen falscher Zeugenaussage. Jemand wollte gehört haben, Sie hätten gesagt, Karl-Heinz Grasser habe beim Dorotheum-Verkauf Cash genommen.

Ohneberg: Ich wurde plötzlich vom Zeugen zum Angeklagten. Aus heiterem Himmel stand ich vor Gericht, war in den Medien. Und das gerade, als ich mich den Mitarbeitern von Henn als neuer Eigentümer präsentierte. Auch meine Banken waren irritiert. Ich wurde aber zu 100 Prozent freigesprochen. Das hat meinen Glauben in die österreichische Justiz gefestigt. Aber die Erfahrung der medialen Vorverurteilung war extrem. Ich habe daraus gelernt, dass Erfolg und Misserfolg sehr nahe beieinander liegen. Die Geschichte ist für mich erledigt. Ich bin froh, mit der ganzen Gesellschaft nichts zu tun zu haben.

Standard: Zurück zum Automobilzulieferer Henn. Haben Sie sich bewusst für eine Nische entschieden?

Ohneberg: Ich hatte gewisse Vorstellungen über die Größe des Unternehmens, auch das Produkt musste passen, es sollte einen gewissen USP haben und etwas Emotionales sein.

STANDARD: Welche Emotionen wecken denn Steckverbindungen?

Ohneberg: Autos haben für Männer generell was Emotionales, zunehmend auch für Frauen. Und das Schönste zwischen zwei Teilen ist ja die Verbindung.

STANDARD: Sie sind Zulieferer von 39 Autoproduzenten – wenn Sie an das Ende des Verbrennungsmotors denken, wo sehen Sie dann Ihre Firma?

Ohneberg: Wir sind mit unserem aktuellen Produktportfolio gut aufgestellt, haben auch antriebsunabhängige Produkte. Die Frage wird sein, was nach dem Verbrennungsmotor kommt. Reine Elektromotoren oder Hybrid, Brennstoffzellen oder CO2-neutrale Verbrennungsmotoren mit Benzinsurrogaten, es ist noch alles völlig offen. Mit unserem geballten Know-how für Software, Elektronik und Mechanik kann man einiges machen. Ich denke an Verbindungen für Batteriekühlungen, auch an Verbindungen für andere Branchen. Als Unternehmen unserer Größe muss man aber die Kirche im Dorf lassen. Auf einen Trend zu setzen, von dem man noch nicht weiß, in welche Richtung er führt, das wäre Selbstmord. Wir leben von den großen Stückzahlen. Das heißt, für uns wird es dann interessant, wenn es ums Industrialisieren und Optimieren geht.

STANDARD: Die USA ist einer Ihrer Hoffnungsmärkte. Macht Ihnen Donald Trump nicht einen Strich durch die Rechnung?

Ohneberg: Amerika ist angewiesen auf Rohstoffe und Technologien aus dem Ausland. Jede Verteuerung führt zu einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Automobilindustrie. Trump wird zur Vernunft kommen. Global gibt es leider Gottes zu viele Unruhen und Unsicherheit. Deshalb ist es so wichtig – das sage ich auch als IV-Präsident –, dass man versucht, die Rahmenbedingungen auf dem Heimmarkt optimal zu gestalten. Wir tun uns alle nichts Gutes, wenn wir Sanktionen und Strafzölle aufbauen. Die Weltwirtschaft lebt von einem freien Handel. Nationalismus ist nicht die Lösung, es muss um fairen, freien Handel gehen.

STANDARD: Sie haben Ihr Ziel, ein eigenes Unternehmen, erreicht. Ihr Fazit?

Ohneberg: Man kann etwas erreichen, wenn man konsequent daran arbeitet. Aber Unternehmer zu sein ist nicht nur Sonnenschein. Da gibt es Zeiten, wo man sehr viel überlegt, große Risiken eingeht. In den Medien haben Unternehmer aber das Image des Kapitalisten. Das tut mir persönlich weh und sollte sich ändern. Ich versuche, meinen Beitrag dazu zu leisten. (Jutta Berger, 6.7.2018)