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Demonstranten protestieren vor der BND-Zentrale in Berlin gegen dessen Abhörpraktiken.

Foto: AP/Breloer

Wer beim Wort "Armaturen" an Badezimmer und Küche denkt, liegt bei der Armaturen GesmbH (Arges) aus Schwanenstadt grundfalsch. Die Firma war vielmehr ein langjähriger Hersteller von Rüstungsmaterial, vor allem von Handgranaten.

Das passte ins Konzept des deutschen Rüstungsgiganten Rheinmetall, der Anfang der 2000er-Jahre sein Angebot diversifizieren wollte. Am 20. April 2005 wurde publik, dass Rheinmetall über seine österreichische Tochterfirma die Armaturen GesmbH schluckt, ins Firmenbuch wurde der Deal offiziell im Juli 2005 eingetragen.

Zu diesem Zeitpunkt war die Armaturen GesmbH gerade ins Überwachungsnetz des Bundesnachrichtendienstes (BND) aufgenommen worden. Eine Liste an Spähzielen des deutschen Geheimdienstes, die STANDARD und Profil vorliegt, zeigt, dass der BND ab 10. März 2005 zwei Telefonanschlüsse, ein Faxgerät sowie eine E-Mail-Adresse der oberösterreichischen "Armaturen Gesellschaft m.b.H." ins Visier genommen hat.

Vor Übernahme ausgespäht

Fakt ist, dass sich der BND in der finalen Phase der Übernahme in die Anschlüsse der österreichischen Firma eingeklinkt hat. Das kann ein großer Zufall sein – oder andere, brisante Motive haben. "Spionage im Interesse von Konzernen ist nicht neu", sagt die deutsche Bundestagsabgeordnete Martina Renner dem STANDARD. Sie hat die Methoden des BND in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersucht. "Illegal wäre es, mit der Ausforschung kurz vor der Übernahme dem Rüstungsmogul Rheinmetall Vorteile durch die Weitergabe interner Informationen zu verschaffen", so Renner.

Wie weit fortgeschritten die Verhandlungen zum Zeitpunkt der Ausspähung waren, ist unklar. Die Firma Hein. Ulbrichts Witwe, der damalige Besitzer der Armaturen GesmbH, wollte sich auf Anfrage von STANDARD und "Profil" nicht zu den Vorgängen äußern. Rheinmetall gab an, "keine konkreten Hinweise" darauf zu haben, "dass die österreichische Arges im Jahr 2005 nachrichtendienstlich ausgespäht wurde".

"Keine politische Aufklärung Österreichs"

Der BND kommentiert konkrete Spionageziele nicht, stellte auf Anfrage von STANDARD und "Profil" jedoch klar, dass "die politische Aufklärung Österreichs und Wirtschaftsspionage weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig" zu seinen Aufgaben gehören.

Anders ist das bei der Überwachung von Waffenexporten. Rüstungsfirmen sind daher ein logisches Ziel von nachrichtendienstlicher Überwachung. "Legal wäre es für den BND, illegale Rüstungsgeschäfte aufzudecken", erklärt Renner.

Die Armaturen GesmbH sorgte etwa schon 2001 für Aufsehen. Damals gab es Berichte darüber, dass bei einem Terroranschlag auf das indische Parlament Handgranaten mit einem Logo der Arges zum Einsatz kamen.

Der damalige Grünen-Politiker Peter Pilz stellte dazu 2002 eine parlamentarische Anfrage, wodurch publik wurde, dass die damaligen Besitzer der Firma schon 1969 und 1971 Maschinen und Werkzeuge für die Granatenherstellung an eine pakistanische Firma geliefert hatten. Ab 1990 war der Waffenexport nach Pakistan dann wegen des Kaschmir-Konflikts mit Indien verboten.

Gezielt Rheinmetall ins Visier genommen?

Der BND hätte also 2002 nachvollziehbare Gründe gehabt, die Armaturen GesmbH zu überwachen. Doch das passierte laut der BND-internen Liste mit Spähzielen ausgerechnet im Frühjahr 2005, als die Übernahme durch Rheinmetall kurz bevorgestanden ist.

Möglich ist aber auch eine gegenteilige These: nämlich, dass der BND in Erwartung der Übernahme gezielt Rheinmetall ausgespäht hat. Auch das würde für politische Turbulenzen sorgen. So ist dem BND die Überwachung deutscher Staatsbürger und Unternehmen untersagt, außer es gibt dafür gewichtige Gründe. Darüber entscheidet dann eine Kommission, auch das deutsche Innenministerium wird informiert.

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Rheinmetall ist einer der größten Rüstungskonzerne der Welt.
Foto: AP/Gambrell

Im Fall von Rheinmetall würde das bedeuten, dass die deutschen Behörden einem ihrer engsten Rüstungspartner nicht ausreichend vertrauen, um von einer Ausspähung abzusehen.

Auch der "Spiegel" berichtet dieses Wochenende über die Ausspähung deutscher Tochterfirmen in anderen Ländern. Offenbar pflegte der BND diese Praxis nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Laut "Spiegel" wurde etwa die spanische Filiale der deutschen Firma Intea ausgespäht, die Autoverkäufer und Diagnosetechniker trainiert.

Der BND nahm auch Dependancen deutscher Unternehmen ins Visier.
Foto: APA/AFP/Stache

Deutsche Tochterfirmen

Rheinmetall ist nicht der einzige deutsche Konzern, dessen österreichische Tochterfirmen vom BND ausgespäht wurden. Dasselbe gilt etwa für Hermes Schleifmittel sowie mehrere Klein- und Mittelunternehmen. Auch ein deutscher Staatsbürger, der in Österreich wohnt und soziale Projekte auf der ganzen Welt betreibt, wurde ins Visier genommen.

Die Enthüllungen von STANDARD und "Profil" über eine weitflächige Ausspähung zahlreicher Unternehmen durch den BND hatten Mitte Juni für Aufregung in der heimischen Politik gesorgt. Einen Tag nach der Veröffentlichung der Recherche trat die Regierung zu einer Krisensitzung zusammen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilten die Überwachungsaktivitäten des Partnerlandes. Wirtschaftsvertreter protestierten dagegen, dass exportstarke heimische Unternehmen durch Deutschland ausgespäht wurden.

Allerdings gibt es laut Peter Gridling, dem Chef des österreichischen Verfassungsschutzes, keine Möglichkeit, eine elektronische Überwachung von Telekommunikation zu verhindern.

Er wies im STANDARD-Gespräch darauf hin, dass der BND Internet- und Telefonknoten in Deutschland überwache. Durch die Art und Weise, wie Daten mittlerweile verschickt werden, kann der BND große Teile der europäischen Kommunikation abfangen, teilweise auch Telefonate innerhalb Österreichs. Firmenchefs riet Gridling zu Verschlüsselung. (Fabian Schmid, Markus Sulzbacher, 6.7.2018)