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Laut Verteidigungsminister Guy Parmelin (Mitte) ist es nicht nötig, das Schweizer Dorf zu evakuieren.

Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann

Jahrzehntelang wähnten sich die Menschen in Mitholz in Sicherheit. Zwar war bekannt, dass neben dem Schweizer Dorf eine große Menge Armeemunition liegt, verschüttet unter Gesteinsmassen: 3500 Tonnen. Die Militärs versicherten aber, dass keine wirkliche Gefahr existiere. Explosionen? Wenn überhaupt, dann nur harmlose Erschütterungen.

Kaum ein Bewohner von Mitholz und der angrenzenden Orte im Berner Oberland scherte sich um das Sprengstoffgrab aus dem Zweiten Weltkrieg, das europaweit einzigartig sein dürfte.

"Tickende Zeitbombe"

Doch nun sah sich das Verteidigungsministerium genötigt, den knapp 200 "lieben Bewohnern" von Mitholz die Wahrheit zu sagen. Wehrminister Guy Parmelin reiste persönlich an und gab zu, dass "ein höheres Risiko für eine Explosion als bisher angenommen" bestehe. Der Bürgermeister sagt es deutlich: Es ticke eine "Zeitbombe", warnte Roman Lanz.

Experten hatten im Auftrag des Ministeriums das Gelände noch einmal untersucht. In dem Gutachten heißt es: "Es sind größere Ansammlungen von großkalibriger Munition und 50-Kilogramm-Bomben vorhanden." Schon ein Felssturz, ein Blitzeinschlag oder die Bildung von Kupferazid in Zündern könnte eine Detonation verursachen. Im schlimmsten Fall würden durch eine Kettenreaktion viele Sprengungen ausgelöst. Erdstöße, Bergrutsche, "Trümmerwürfe" von Gestein, Feuerbälle und Umweltschäden drohten. Ein erneutes Inferno.

Gewaltige Explosionen 1947

Das erste Inferno erschütterte den Ort nach dem Zweiten Weltkrieg. "In den 1940er-Jahren schlug die Armee eine riesige Munitionslagerstätte in das Gestein", erzählt Bürgermeister Lanz. In Kammern lagerten die Eidgenossen 7000 Tonnen Militärgeschoße. In der Nacht auf den 20. Dezember 1947 geschah die Katastrophe – die Ursache ist unbekannt. Gewaltige Explosionen erschütterten das Stollensystem. Die Druckwellen, umherfliegende Brocken und Feuer zerstörten Häuser. Neun Menschen starben, viele wurden verletzt.

Jetzt hat das vor mehr als 70 Jahren geschehene Unglück die Menschen wieder eingeholt. Denn die Hälfte der gebunkerten Munition liegt immer noch auf dem Terrain "eingeklemmt zwischen Geröll und Felsbrocken oder überschüttet von einem Schuttkegel", wie der Verteidigungsminister sagt.

Trotz der Gefahren sind aber keine Sofortmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung angedacht, sagt Parmelin. "Es ist nicht nötig, das Dorf zu evakuieren oder die Straße und die Bahn zu sperren." Jetzt soll eine Arbeitsgruppe darüber tüfteln, wie der Munitionsberg entschärft werden kann. Doch der Bürgermeister will rasch Resultate: "Wir bestehen darauf, dass die Armee die Gefahr so schnell wie möglich beseitigt." (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 7.7.2018)