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Auf einem Transparent in Nantes wird der Staat als Mörder angeprangert. Bei einem tödlichen Zwischenfall erschoss ein Polizist einen flüchtigen Fahrer.

Foto: AP / Michel Euler

Nantes – Nach dem tödlichen Schuss auf einen 22-Jährigen hat es in der westfranzösischen Stadt Nantes die vierte Nacht in Folge Ausschreitungen gegeben. Mit Brandsätzen bewaffnete Jugendliche lieferten sich in der Nacht auf Samstag Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie die Polizei mitteilte. Sieben Autos und mehrere Mülleimer brannten. Auch an einem Haus mit Sozialwohnungen wurde Feuer gelegt.

Die Unruhen betrafen mehrere Stadtteile von Nantes. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Randalierer vor. Die Polizisten wurden von Einheiten der Spezialtruppe CRS unterstützt, die auch die Feuerwehr begleiteten.

Unfall statt Notwehr

Am Freitag hatte der verantwortliche Polizist Falschangaben eingeräumt. Der Anwalt des Polizisten sagte: "Er hat zugegeben, Angaben gemacht zu haben, die nicht der Wahrheit entsprechen." Gegenüber Generalinspekteuren der nationalen Polizei habe er nun angeführt, bei dem Schuss habe es sich um einen "Unfall" gehandelt. Bisher hieß es, er habe in Notwehr auf den jungen Mann geschossen, nachdem dieser mit seinem Auto einen Kollegen bei einer Verkehrskontrolle angefahren habe.

Am Abend ordnete ein Untersuchungsrichter die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Polizisten an. Der Verdacht laute auf "mutwillige Gewalt" mit Todesfolge. Der Polizist wurde zudem unter gerichtliche Aufsicht gestellt. Wegen Zweifeln an der Darstellung des Schützen ist dieser bereits seit Donnerstag in Polizeigewahrsam.

Gewaltsame Proteste

Wegen des Vorfalls war es schon in der Nacht auf Freitag erneut zu Ausschreitungen gekommen. Mehr als 50 Autos brannten nieder, darunter auch das von Bürgermeisterin Johanna Rolland. Zudem zündeten die Unruhestifter Schulen und andere öffentliche Gebäude an. In dem Ort Garges-les-Gonesse nördlich von Paris, woher der Tote stammt, wurden Mülleimer angezündet und ein Polizeiauto angegriffen.

Rund tausend Demonstranten forderten in Nantes "Gerechtigkeit" für den 22-Jährigen und die "Wahrheit" über die Umstände seines Todes. Die Regierung hatte zuvor eine lückenlose Aufklärung zugesagt. Der junge Mann, der von örtlichen Medien als Aboubakar F. identifiziert wurde, war der Polizei wegen "bandenmäßigen Diebstahls" bekannt.

Polizei überlastet

Frankreichs Polizei gilt wegen der Anschlagsserie mit mehr als 240 Toten seit Jänner 2015 als notorisch überlastet. Zudem sehen sich viele Polizisten zunehmenden Attacken in Vorstädten ausgesetzt. Bewohner der Banlieues werfen den Beamten ihrerseits brutale Methoden und einen übertriebenen Schusswaffengebrauch vor.

Die Festnahme eines Mannes in einer Vorstadt von Paris verdeutlicht das angespannte Verhältnis von Polizei und Bewohnern: Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit einem anderen ein Polizistenpaar mit Fäusten und Fußtritten malträtiert zu haben. Die Männer warfen der Beamtin vor, sie zu Unrecht kontrolliert zu haben. Präsident Emmanuel Macron verurteilte auf Twitter die "Schandtat und Feigheit" der Täter. (APA, 7.7.2018)