"Die Legende, die Deutschen seien die wahren Helden, weil nämlich die wahren Opfer des Zweiten Weltkriegs, begann mit diesem Film Mainstream zu werden." Wiglaf Droste

Es ist 54 Meter lang, knappe drei Meter hoch, mehrere Tonnen schwer und in der deutschen Film- und Fernsehhistorie eine Art Nationalheiligtum. Sommer wie Winter ruht es, in dicke, weiße Plastikfolie gewickelt, auf dem Gelände der Münchner Bavaria-Filmstudios und lädt Publikum busweise zum Durchgehen ein: Schaut echt aus! Und: So eng!

Eng und stickig

Menschen, die alt genug sind, sich an die Erstausstrahlung von Das Boot vor mehr als 35 Jahren zu erinnern, staunen ehrfürchtig in der originalen und im Rahmen von Führungen frei zugänglichen Innenkulisse.

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Der Dreh soll 1980 kein Zuckerschlecken gewesen sein. Schauspieler und Crew mussten am Set der U 96 nahe zusammenrücken, um unter der Regie von Wolfgang Petersen schließlich jenen Film- und TV-Erfolg zu schaffen, der Balsam für das immer noch angeschlagene Selbstbewusstsein der Nation war und laut Wiglaf Droste die Legende vom tapferen Wehrmachtsoldaten massentauglich machte.

Aufs Abenteuer konzentrieren

2018 vermeint man diesen Teil der Vergangenheit im Bewusstsein der Mehrheit offenbar ausreichend bewältigt, also kann man sich auf das Abenteuer konzentrieren: Andreas Prochaska (Das finstere Tal) dreht mit Sky, Bavaria und Sonar die 35 Millionen Euro teure Fortsetzung von Das Boot aus dem Jahr 1981. Mit maximalem Aufwand wurde der Koloss nachgebaut und diente als Kulisse für Darsteller wie Rick Okon, Robert Stadlober, Tom Wlaschiha und Lizzy Caplan. Voraussichtlicher Start der achtteiligen Serie: Ende 2018.

"Vor zehn, 15 Jahren hätten wir uns das noch nicht getraut", sagt Jan S. Kaiser von der Bavaria. "Jetzt hat der Markt erlaubt, Marken wieder leben zu lassen."

Foto: Nik Konietzny/Bavaria Fiction GmbH/Sky

"Ich freu mich drauf", sagt Rick Okon. Der Schauspieler (am Foto in der Mitte) spielt den "Kaleu" der U612, und ihm steht zum Zeitpunkt des Setbesuchs des STANDARD im November 2017 bevor, was 1980 seine Vorgänger Jürgen Prochnow und Herbert Grönemeyer durchmachen mussten. Als Das Boot 1981 nach der Vorlage von Lothar Wolfgang Buchheim zum ersten Mal im Fernsehen lief, war Okon noch gar nicht geboren. "16 oder 17" war er, als er die Männer zum ersten Mal ringen sah: Drei Wochen Dreh auf engstem Raum, Angst vor Enge empfiehlt sich nicht.

Seekranke Schauspieler

Und falls doch, hilft es sowieso nichts. Für echtes Unterwasserfeeling wurde im Studio in Prag das Innenleben des U-Boots auf einer Wippe installiert. "Wir können unsere Schauspieler seekrank machen", freut sich Bavaria-Produzent Oliver Vogel. Da muss man durch, schließlich geht's um Großes. Das neue Boot ist 67 Meter lang, sechseinhalb Meter breit, 240 Tonnen schwer. Götz Weidner hat es gebaut, der auch Production-Designer des Originalboots war. Inzwischen ist der Dreh abgeschlossen, gedreht wurde neben München und Prag in einem Wassertankstudio auf Malta und in La Rochelle, wo das Boot später hingebracht wurde. 104 Tage waren es insgesamt, vier Tage machte der Tross in München halt, wo unter anderem Szenen im Bordell eingespielt wurden.

Foto: Nik Konietzny/Bavaria Fiction GmbH/Sky

Denn dieses Boot soll nicht nur unter Wasser im engen Raum und unter Männern spielen. 2018 sind auch Frauen vorgesehen – wenn schon nicht an Bord, so doch in der Serie. Lizzy Caplan (Masters of Sex) etwa, die eine Widerstandskämpferin in La Rochelle am Ort der U-Boot-Basis spielt. Caplan ist froh, nicht im Boot selbst zu drehen: "Nein, danke. Ich stelle es mir als Bubenzimmer vor." Die Kollegen auf dem Boot beneidet sie nicht, und über die Idee, das Boot neu auf Wasser zu legen, war sie anfangs auch wenig begeistert.

"Ehrlich gesagt, war ich zunächst nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, sich diesen Klassiker vorzunehmen. Dann las ich die Bücher und änderte meine Meinung von Grund auf." Erstkontakt mit einem Original-U-Boot hatte die US-Amerikanerin Caplan in der Highschool.

Foto: Nik Konietzny/Bavaria Fiction GmbH/Sky

"Die Möglichkeiten einer Serie auszuschöpfen heißt ja, möglichst breit zu erzählen", sagt Tom Wlaschiha (Game of Thrones). Er spielt einen Gestapo-Chef. Mit dem Vorbild wolle man sich gar nicht erst messen, deshalb habe man sich entschieden, kein Remake zu machen, sondern eine ganz neue Geschichte.

"Der Kaleu im neuen Boot unterscheidet sich grundlegend vom alten, ich bin nicht Herr Prochnow", sagt Okon. "Meine Figur geht zum ersten Mal auf Feindfahrt. Druck, das Vorbild zu erreichen, sieht Okon nicht: "Darüber mache ich mir noch keine große Platte."

Foto: Nik Konietzny/Bavaria Fiction GmbH/Sky

Zur Beratung stand Jürgen Weber bereit, ehemaliger U-Boot-Kommandant zu Friedenszeiten. "Er hat uns gezeigt, wie richtig salutiert wird und was halt 40 Männer so machen in einem U-Boot. Das hilft für das Spiel", sagt Okon.

Lob kommt von allen für Andreas Prochaska. Seine Handschrift schätzt Okon als "ruhig und gewissenhaft": "Er ist ein bewusster Regisseur, der ganz genau hinsieht und hinhört. Er feilt und bastelt und probt, bis die Szene sitzt, und macht keine halben Sachen." Prochaska habe "einen wirklichen Überblick" und sei einer, "der Schauspieler mag", sagt Wlaschiha. Das sei nicht selbstverständlich. Caplan schwärmt ebenso: "Er bleibt in jeder Situation ruhig und wirkt nie gehetzt."

Keine Synchronisation

Jeder Schauspieler spricht in seiner Muttersprache, Deutsch, Englisch, Französisch. Die Ausstrahlung erfolgt dann mit entsprechenden Untertiteln. Synchronisiert wird nicht – schöne, neue Serienwelt.

Die Besucher der U 96 haben inzwischen das alte Boot verlassen und ziehen weiter. Die Jungen hielt es ohnehin nicht ganz lange hier. Sie drängen sich ins Studio von Fuck ju Goethe. Vielleicht ändert sich das ja nach 2018 wieder, und das "alte" Boot erlebt auch bei der Bavaria Hochkonjunktur. (Doris Priesching, 7.7.2018)