Ednan Aslan: Das Einwirken ausländischer Akteure auf Moscheen muss verhindert werden.

Foto: Felix Grütsch

Natürlich zielten die kürzlich von der österreichischen Regierung verfügten Moscheeschließungen nicht darauf ab, die Legitimität von Moscheen an sich infrage zu stellen, vielmehr handelte es sich dabei um den Versuch, auf die von bestimmten Einrichtungen ausgehenden Gefahren des politischen Islam hinzuweisen. Doch weil es offenbar nicht gelungen war, bereits im Vorfeld deutlich zu kommunizieren, was unter politischem Islam oder Moscheen eigentlich zu verstehen ist, flammten die Debatten erneut in aller Heftigkeit auf.

Diese Debatten ähneln jenen, die vor einigen Jahren in Bosnien und Herzegowina geführt wurden, wo nach dem Krieg, an der Religionsbehörde Rijasat vorbei, unzählige Moscheen aus dem Boden schossen – wodurch eine Situation entstand, die diese Behörde vor bis dahin unbekannte Herausforderungen stellte. Schließlich sah sie sich vor die Wahl gestellt, diese Moscheen entweder zu schließen oder einzugliedern.

Im Grunde ist es in allen islamischen Ländern dasselbe: So dürfen etwa auch in der Türkei in Wohngebieten keine Kirchen errichtet werden (wobei der historische Bestand unangetastet bleibt), und die Gründung einer unabhängigen Moschee ohne Genehmigung der Religionsbehörden ist völlig undenkbar. Wovon Organisationen in ihren Heimatländern also nicht einmal träumen durften, konnten sie in Europa ungehindert in die Tat umsetzen, sie wussten die sich bietenden Chancen zu nutzen und sorgten für ein unkontrolliertes Wachsen der Moscheen und religiösen Strukturen.

Im Lauf der Zeit stieg die Zahl der ab den 80er-Jahren aktiven Moscheebetreiber aufgrund unterschiedlicher Spaltungen immer weiter an – bis die einzelnen Subjekte kaum mehr voneinander zu unterscheiden waren. Dabei spielten neben ideologisch-theologischen Beweggründen auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle – für so manchen Moscheebetreiber sollte sich der Handel mit Halal-Lebensmitteln als lukrative Einnahmequelle erweisen und ihn auf diese Weise auch, wenn nicht vor allem, zum Wirtschaftstreibenden werden lassen.

Alle mir bekannten Spaltungen in den Moscheegemeinden – die öffentlich stets als theologisch motiviert dargestellt wurden – hatten auch einen wirtschaftlichen Grund: Der eine meinte, mit einem verbesserten Halal-Angebot reüssieren zu können, für einen anderen war es das Verschwinden von Spendengeldern, das ihn bewog, eine eigene Moschee zu gründen.

Das Resultat dieser Entwicklungen lässt sich heute in bestimmten Stadtteilen begutachten, in deren Straßen sich eine Moschee an die andere reiht – dass diese ihre Existenz einem echten Bedarf muslimischer Gläubiger verdanken, darf ebenso bezweifelt werden, wie dass sie allesamt bestimmten Qualitätskriterien genügen. Ob sich die IGGiÖ nach den aktuellen Debatten dazu entschließen kann, die Zahl der Moscheen in diesen Gegenden einzudämmen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls würde die Schließung jener mit geringem Zulauf nicht nur zur Steigerung der Qualität beitragen, sondern auch ideologische und ethnische Spaltungen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft hintanhalten und eine gemeinsame österreichische Identität stärken.

Gegen Isolation ankämpfen

Eine weitere wichtige Aufgabe neben diesen Maßnahmen ist die Ausbildung von Imamen in dem jeweiligen Land, das den Muslimen zur neuen Heimat geworden ist. Als das größte Hindernis erweisen sich hierbei die Interessen ausländischer Akteure, die mit der Entsendung von Imamen ihren ethnischen und politischen Einfluss zu sichern suchen. Schützenhilfe erhalten sie von Vereinen und Verbänden, die ihr Wirken gerade in der Isolation entfalten und jegliche sprachliche oder kulturelle Öffnung als Gefahr für die Durchsetzung ihrer ideologischen Ziele betrachten. Entsprechend groß daher die Vorbehalte dieser Organisationen gegenüber den österreichischen Institutionen, da sie ihre eigene Stärke mitunter gerade aus der Schwächung und Abwertung der Mehrheitsgesellschaft beziehen.

Freilich sind die europäischen Institutionen an dieser Situation nicht ganz unschuldig, liegt doch die Zuständigkeit für die Belange der Muslime oftmals noch immer beim Ausland. Es genügte ein Blick auf den Balkan, namentlich nach Bosnien und Herzegowina, um die fatalen Folgen einer solchen Haltung zu erkennen. Während es bei kroatischen Muslimen, die noch wenig vom Ausland gesteuert werden, kaum Probleme hinsichtlich der Integration des Islam gibt, sehen sich ihre bosniakischen Glaubensgenossen in ihrer europäischen Identität durch ausländische theologisch-politische Einflüsse extremem Druck ausgesetzt.

Was nun die österreichischen Verhältnisse betrifft, stellt die Verabschiedung des Islamgesetzes sicherlich einen Schritt in die richtige Richtung dar. Zwar wird auch dieses Gesetz nicht alle Probleme lösen, aber es sendet ganz klare Signale, dass das Land die Belange der Muslime nunmehr als innenpolitische Aufgabe betrachtet. Dazu gehört auch die Wahrnehmung der Ausbildung muslimischer Geistlicher als ein zentrales Anliegen eines europäischen Bildungsauftrags. Dementsprechend wurden an europäischen Universitäten zahlreiche theologisch-islamische Institute ins Leben gerufen.

Deutschland investiert in diesem Bereich sehr großzügig, um eine europäisch geprägte islamische Theologie zu etablieren, und auch Österreich hat im Einklang mit dem Islamgesetz Maßnahmen ergriffen und den Universitäten Mittel zur Verfügung gestellt, um zu gewährleisten, dass muslimische Theologen ihre Ausbildung künftig an der Universität Wien erhalten. Nach der Universität Innsbruck, die – obwohl das nicht im Islamgesetz vorgesehen ist – ernsthafte Akzente setzt, um die islamische Theologie und Religionspädagogik auf eine solide Basis zu stellen, soll sich auch an der Universität Wien eine islamische Theologie etablieren, die das Fundament der Ausbildung von Imamen und islamischen Seelsorgern bilden soll.

Eigenes Profil vonnöten

Aber ungeachtet dessen, dass an der Universität Wien die islamische und islamisch-alevitische Theologie mittlerweile verankert ist, gibt es in struktureller Hinsicht noch einiges zu tun. Ein Ansatz, der die Theologie allein unter dem Aspekt ihrer Integrationsleistung und lediglich als einen Bestandteil der politischen Bildung betrachtet, griffe zu kurz. Eine islamische Theologie kann erst dann einen wichtigen Beitrag zur europäischen Prägung dieser Glaubensrichtung leisten, wenn sie ein entsprechendes eigenes Profil entwickelt, andernfalls würde sie den gesellschaftlichen Erwartungen nicht gerecht.

Ob es denn wirklich Aufgabe der Universität sein kann, Imame auszubilden, wird immer wieder gefragt. Diese Frage lässt sich vielleicht am besten mit einer Gegenfrage beantworten: Wer ist wohl eher in der Lage, die Integration der Muslime in die jeweilige Aufnahmegesellschaft zu befördern – ein Theologe, der seine Ausbildung an einer europäischen Universität erhalten hat, oder ein Imam, der vom Ausland entsandt wurde und mit den örtlichen Verhältnissen kaum vertraut ist? (Ednan Aslan, 6.7.2018)