Das zusammengeschweißte Team Kroatiens sorgt in Russland für Furore.

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Kein normaler Samstagabend in Zagreb.

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Partystimmung auch in Mostar.

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Und Russland weint.

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Sotschi – Schwer zu sagen, wo genau die Grenze verläuft zwischen Zuversicht und Anmaßung. Irgendwo hier wahrscheinlich, zwischen dem, was Kroatiens zauberfüßiger Kapitän Luka Modric sagt ("Hoffentlich gehen wir noch einen Schritt weiter als damals 1998, wir haben alles, was es dazu braucht."), und dem, was Slobodna Dalmacija formulierte: "Auch England wird fallen. Wir werden Weltmeister."

Fix ist, dass Kroatien gegen Gastgeber Russland das Viertelfinale gewonnen hat und nun im Halbfinale England zu bespielen haben wird. Damit ergibt sich die Chance, es zumindest der bis heute gültigen Erfolgsgeneration von der WM 1998 gleichzutun und Dritter zu werden. Verbandspräsident Davor Suker, damals der Sturmstar, würde es wohl freuen.

Modric war seinerzeit zwölf Jahre alt, kickte im Nachwuchs des NK Zadar und hat seit damals einen entsprechenden Herzenswunsch, der nun knapp dabei ist, aus diesem Herzen in die Welt zu kippen. "Es macht uns extrem stolz", sagt er.

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Dejan Lovren trägt Luka Modric, der einen Gutteil der kroatischen Hoffnungen auch im Halbfinale am Mittwoch gegen England trägt.
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Mit "uns" meint er natürlich nicht nur sich, die anderen hochkarätigen internationalen Stars im Team und Trainer Zlatan Dalic. Sondern alle vier Millionen Kroaten, inklusive der Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic. Die hat mit Russlands Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew der Nervenaufreibung beigewohnt.

In Kroatien selbst war, ließ Ivan Rakitic sich berichten, "die Hölle los". In Wien-Ottakring, ließ sich der STANDARD von der Polizei berichten, auch ein bisserl.

Zagreb am Samstagabend in ballesterischem Ausnahmezustand.
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Zum zweiten Mal in Folge musste Kroatien, nach 2:2 in der Verlängerung, ins Elferschießen. Schon in der regulären Spielzeit merkte man Ermüdung. Goalie Danijel Subasic zwickte es ordentlich im Oberschenkel, am Ende schleppte sich Mario Mandzukic nur noch mit Mühe über den Platz.

Dass dieser zweifache Erschöpfungslauf den Ausschlag für das am Dienstag bevorstehende Halbfinale sein könnte, glaubt Coach Zlatko Dalic nicht: "Natürlich haben wir noch Kraft für die Engländer. Es wird wieder eine Schlacht, aber ich glaube an uns."

Eine vor allem spielerische Leistung scheint freilich unumgänglich, um den Verbandschef zu übertrumpfen und ins Finale einzuziehen. Im Angriff vor allem haperte es an der Genauigkeit und damit am Zug zum Tor. Modric gab zu, dass die vorangegangenen Strapazen gegen Dänemark da durchaus eine Rolle gespielt hätten. "Uns hat ein wenig die Kraft gefehlt."

Spielerische Defizite will keiner erkennen. Wo auch, fragt der einstige Teamcoach Slaven Bilic, weil: "Das ist die K.-o.-Phase der WM und nicht das Bolschoi-Theater. Wenn Sie Kunst sehen wollen, dann müssen Sie dort hingehen."

Ganz genau, ergänzt Nachfolger Dalic: "Wer auch immer die Favoriten waren, sie sind jetzt zu Hause. Diejenigen, die hart arbeiten, kompakt stehen und gut organisiert sind, weilen noch in Russland." Und nun wolle man auch nach Moskau ins Finale. Immerhin gilt es, den Traum aus dem Jahr 1998 fertigzuträumen.

Helden auf dem Felde

Der Traum des Gastgebers hatte erst geweckt werden müssen im Lauf des Turniers. Russlands Ausscheiden im Viertelfinale in seinem auch zweiten Elferschießen, war, wie selbst der Kreml anzumerken geruhte, voller Ehre. "Unsere Mannschaft hat in einem ehrlichen und schönen Spiel verloren", sagte der Putin-Vertraute und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, "sie sind Helden. Sie sind auf dem Feld gestorben." Wladimir Putin selbst hat unmittelbar nach dem Spiel Trainer Stanislaw Tschertschessow angerufen "und mir zu einem sehr guten Spiel gratuliert. Er sagte, wir sollen unsere Augen offen halten und die nächsten Schritte angehen."

Über Letzteres war der einstige Goalie des FC Tirol noch im Wiglwogl. Während des Spiels (Medwedew: "Ich hatte noch nie solche Emotionen bei einem Fußballspiel.") tigerte er wild durch die Coachingzone. Immerhin blieb er im Jargon: "Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden. Es wäre besser gewesen, wenn wir noch bis zum 15. Juli hätten bleiben können." Da sprach er ein Nona sehr gelassen aus. (sid, wei, 8.7.2018)