Pflege ist nicht gleich Pflege. In Österreich ist sie Ländersache – und somit ein Paradebeispiel für die Reformbedürftigkeit des föderalen Systems.

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Es gibt Dinge im Leben, die schiebt man gerne auf. Das Älterwerden gehört dazu. Aber irgendwann muss man der Realität ins Auge blicken und sich damit beschäftigen, wie so ein Lebensabend in Österreich aussieht und was das alles kostet, das Altsein, das Hilfebrauchen: Ein Tag im Pflegeheim schlägt in Österreich im Schnitt mit etwa 127 Euro zu Buche. Allerdings variieren die Kosten landesweit sehr stark, sie liegen zwischen 74 Euro in Tirol und 238 Euro in Wien. Im Jahr 2015 haben Wien und Oberösterreich in etwa gleich viele Tage in Pflegeheimen verrechnet, aber die Hauptstadt gab dafür etwa 380 Millionen Euro mehr aus. Woher kommen diese Unterschiede?

Ganz einfach: Pflege ist nicht gleich Pflege. Die Betreuungsschlüssel beispielsweise fallen je nach Bundesland ganz unterschiedlich aus. In der Pflegestufe 0 kommt in Vorarlberg ein Pfleger auf 60 zu betreuende Menschen, während in Wien das Verhältnis bei 1 zu 20 liegt. In der Pflegestufe 7 kommt in Wien ein Pfleger auf einen Menschen, in der Steiermark muss er statistische 1,7 Menschen versorgen. Und auch die Struktur der Pflege, also der Anteil jener, die stationär oder aber in anderer Form betreut werden, variiert sehr stark. Pflege ist Ländersache – und deshalb gibt es in jedem Bundesland andere Leistungen zu anderen Kosten.

Reformbedürftiges System

Insgesamt betragen die Kosten für Pflege jährlich bereits fast sechs Milliarden Euro – Tendenz steigend. Nur ein kleiner Teil dieser Kosten wird durch eigene Beiträge oder Ersatzleistungen der Länderhaushalte finanziert. Im Jahr 2015 etwa gaben Länder und Gemeinden rund 3,4 Milliarden Euro für die Pflege aus. Für 1,3 Milliarden Euro kamen die Leistungsempfänger selbst auf. Und der Finanzierungsanteil aus dem bundesweiten Steuertopf lag mit 2,1 Milliarden Euro bei rund 60 Prozent der Gesamtkosten.

Die komplizierten Finanzströme zwischen dem Bund und den Ländern sind gerade beim Thema Pflege ein Paradebeispiel für die Reformbedürftigkeit des föderalen Systems in Österreich: Das Recht, Steuern einzuheben, liegt größtenteils beim Bund – und gleichzeitig können die Länder aber Ausgaben beschließen, ohne den Bund zu fragen und ohne diese Ausgaben selbst finanzieren zu müssen. Wenn Geld in der Landeskasse fehlt, kommt mit dem Finanzausgleich aus Wien beständig Nachschub. Naturgemäß haben die Länder also wenig Interesse daran, sich mit den unterschiedlichen Kosten für die Pflege zu befassen, solange ihnen diese zuverlässig aus dem allgemeinen Steuertopf erstattet werden.

Pflegesysteme auf den Prüfstand

Der Streit zwischen Bund und Ländern über die Kosten, die durch die Abschaffung des Pflegeregresses entstehen, ist erst seit kurzer Zeit ausgeräumt. Der Bund hat nach Aufbegehren der Länder schlussendlich 340 Millionen Euro zugesagt. Die Regierung sollte darüber hinaus durchsetzen, dass die Pflegesysteme und die damit verbundenen Kosten der Länder auf den Prüfstand gestellt und einander angeglichen werden.

Laut dem neusten Ageing Report der Europäischen Kommission werden die Kosten für die Pflege in Österreich von derzeitigen 1,9 Prozent des BIP auf 3,6 Prozent des BIP im Jahr 2070 steigen. Es ist daher wirklich an der Zeit, das Thema Pflege neu zu denken – nicht nur, was die gesellschaftliche Relevanz der Pflegearbeit betrifft, sondern auch die Organisation und die Finanzierung der Pflege.

Es geht auch anders

In den Niederlanden gibt es eine gesetzliche Pflegeversicherungspflicht für alle Einwohner. In Deutschland ist die Pflegeversicherung seit 1995 Teil der Sozialversicherung; um die dadurch steigenden Lohnnebenkosten auszugleichen, wurde dort ein Feiertag gestrichen. Denkbar für Österreich wäre neben diesen beiden Modellen auch ein Vorschlag der Agenda Austria: Jeder Österreicher sollte dazu verpflichtet werden, einen Teil seines Einkommens auf sein persönliches Pflegekonto einzuzahlen. Die Zinserträge sollten steuerfrei bleiben und das Ersparte im Alter für die Pflege eingesetzt werden. Für den Fall, dass das Geld nicht vollständig gebraucht werden sollte, sollte es weitervererbt werden können.

Es gibt also durchaus verschiedene Lösungsansätze, um den steigenden Kosten für die Pflege zu begegnen. Die Regierung sollte sich des Themas jetzt unbedingt annehmen – denn jedes der hier genannten Modelle wäre deutlich besser und nachhaltiger als der aktuelle Status quo. (Monika Köppl-Turyna, 14.7.2018)