Auf einer Waldlichtung nahe einer Ausfallstraße am Stadtrand von Nürnberg beginnt vor fast 18 Jahren die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds, kurz NSU. Am 9. Dezember 2000 wird dort ein türkischer Blumenhändler mit acht Schüssen aus zwei Pistolen getötet. In den nächsten sieben Jahren ermordeten die Mitglieder des NSU insgesamt zehn Personen, verübten drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle.

Seit dem 6. Mai 2013 läuft am Oberlandesgericht München der Prozess gegen fünf Personen, die an den Taten beteiligt gewesen sein sollen. Noch immer ist vieles unklar. Vor allem welche und wie viele Helfer und Helfershelfer der NSU gehabt hat. Fünf Jahre dauerte der Prozess, für Mittwoch wird ein Urteil erwartet. ARD und ZDF rollen den Prozess zum Abschluss noch einmal auf.

Die Spur

Mordwaffe und Ermittlungsakten: der NSU vor Gericht.
Foto: ZDF/Rainer Fromm

Sieben Geheimnissen des NSU widmet sich die ZDF-Doku Auf der Spur des rechten Terrors am Mittwoch um 22.30 Uhr. Eines davon ist die sogenannte 10.000er-Liste. Sie zeigt mögliche Anschlagsziele in ganz Deutschland, die über Jahre zusammengetragen wurden. Zu den Namen und Adressen sind auch Ausspähnotizen vermerkt, etwa: "Sehr gutes Objekt. Guter Sichtschutz. Person gut, aber alt."

Vermutlich haben lokale Neonazi-Verbände Einträge beigetragen. Viele konkrete Notizen gibt es etwa zu Zielen in Dortmund, eine Stadt mit auffällig vielen Rechtsextremen. Wie viele Personen zu der Mordliste beigetragen haben, wird wohl auch nach der Urteilsverkündung ungeklärt bleiben.

Das Netzwerk

Neonazi Ralf Wohlleben – vermutlicher Waffenbeschaffer des NSU.
Foto: ZDF/Christian Twente

Ralf Wohlleben hingegen ist gut bekannt. Die Schlüsselperson besorgte 2001 oder 2002 eine Ceská 83 mit Schalldämpfer. Neun von zehn Morden verübten die NSU-Mitglieder mit dieser Waffe. Wohlleben stand stets in der Öffentlichkeit, engagierte sich in der NPD. Selbst in Gefangenschaft blieb Wohlleben ein standhafter Neonazi-Ideologe. Er schmuggelte Briefe aus dem Gefängnis, zog die Fäden in der rechtsextremen Szene.

Vor Gericht beteuerte er stets, zwar eine rechtsextreme Ideologie zu vertreten, diese aber nicht mit Gewalt durchzusetzen. "Man kann schon fast sagen, er ist ein nationaler Pazifist", sagt Tim Aßmann, der den Prozess für den ARD beobachtet.

Die Neonazi-Szene feiert ihn für sein offenes Auftreten als Held. Mit dem Verkauf von T-Shirts (Aufdruck "Freiheit für Wolle") und Benefizkonzerten sammeln sie Geld für seine Familie. Rechtspsychologe Dietmar Heubrock ist sich sicher: Nach dem Prozess wird Ralf Wohlleben die Gruppe und die Ideologie weitertragen.

Das Terrornetzwerk ist am Dienstag um 23.30 Uhr auf Das Erste zu sehen.

Die Anwälte

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Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm vertreten die Hauptangeklagte Beate Zschäpe.
Foto: WDR/AP Photo/Matthias Schrader

Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm – sie sind die Strafverteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe. Zu Beginn des Prozesses waren sie noch angriffslustig und optimistisch. Der Fall sei zu behandeln wie jeder andere, jeder habe ein Recht auf gute Verteidigung, auch wenn es eine mutmaßliche Neonazi-Terroristin ist.

Viele Anwälte wollten dieser Argumentation nicht folgen, auch Sturms Kanzleikollegen waren anderer Ansicht. "Anja Sturm verliert Job und Heimat", titelte die Welt am 28. Juli 2013. Am selben Tag öffnete Sturm an ihrem neuen Arbeitsplatz in der Kanzlei von Wolfgang Heer einen Brief: "Willkommen in Köln. Freuen Sie sich schon mal auf die, die da kommen werden. Erst im Geiste die Toten und dann die Lebenden, die ein Messer oder etwas anderes mitbringen werden."

Die Filmemacherin Eva Müller hat die drei Anwälte über die gesamte Prozessdauer von mehr als fünf Jahren begleitet. Das Erste zeigt Heer, Stahl und Sturm – Wer Nazis verteidigt am Mittwoch um 23.45 Uhr. (Philip Pramer, 10.7.2018)