Arenanet reagierte auf die Verbalattacke von Price auf einen Streamer mit einem Entlassungsschreiben.

Foto: Guild Wars 2

MMORPGs sind in Sachen Storyentwicklung eine spezielle Herausforderung. Immerhin muss man eine Handlung vorantreiben, die sich nicht nur glaubwürdig in das jeweilige Universum einfügen muss, sondern die auch das Erlebnis aller Teilnehmer gleichermaßen prägt und ihnen ermöglichen soll, sich trotz der vielen Mitspieler besonders zu fühlen.

Über diese Herausforderungen schrieb kürzlich Jessica Price auf Twitter vor ihren rund 12.000 Abonnenten. Sie gehörte zu den Storyschreibern von "Guild Wars 2" des Studios Arenanet. Ein Streamer, der auch im Partnerprogramm von Arenanet ist, reagierte. Price war über seine Kommentare nicht erfreut und reagierte entsprechend. Die Angelegenheit kostete letztlich sie und einen Kollegen den Job und sorgt für Aufregung.

Entnervte Reaktion

Was war passiert? Der Videomacher, Deroir Gaming, lobte Price zuerst dafür, solche Einsichten in ihre Arbeit zu geben. Jedoch widersprach er ihr in manchen Punkten. Während Price findet, dass die Schwierigkeiten der Charaktergestaltung in einem MMO darin liegen, dass viele Leute unterschiedliche Erwartungen hätten – im Gegensatz zu einem vorgegebenen Helden in einem Singleplayer-Spiel –, sieht Deroir das Problem nicht im Genre selbst. Er befindet, dass der Wunsch nach einem "gleichen Ergebnis" für alle Spieler eigentlich der limitierende Faktor sei und man dies mit vertiefenden Dialogoptionen lösen könne, die man nicht nur für ein Achievement durchklicken müsse.

Der höflich gehaltene Einwand kam bei Price nicht gut an. "Danke, dass du mir sagst, was wir intern machen", reagierte sie mit einem "Augenroll"-Smiley. Anschließend verbreitete sie seine Nachricht an ihre Follower weiter mit dem Kommentar "Lasst mich vorstellen: Eine Person, die nicht mit dir zusammenarbeitet, erklärt dir, wie deine Arbeit funktioniert."

In einer Folgenachricht legte sie nach: "Der nächste zufällige Arsch, der versucht, mir das Konzept von Dialogbäumen zu erklären, als hätte ich nach einem verdammten Jahrzehnt in der Storyentwicklung noch nie davon gehört, wird sofort blockiert." Sie sei nicht für "verletzte Männergefühle" verantwortlich und habe nicht vor, auf ihrem privaten Twitterkonto so zu tun, als würde sie jeden mögen.

Die Botschaften brachten ihr viel Kritik sein, unter anderem auch aufgrund ihrer Geschlechterreferenz. Zudem organisierten sich auch Mitglieder eines Gamergate-nahen Reddit-Forums, wie das "Paste"-Magazin dokumentiert. Bald darauf folgte ein Kündigungsschreiben seitens ihres Arbeitgebers Arenanet. Auch ihr Kollege Peter Fries, der sie in Schutz genommen hatte, musste gehen.

Umgehende Entlassung

"Zwei unserer Angestellten haben es verfehlt, unsere Standards bei der Kommunikation mit Spielern zu erfüllen", heißt es in einer Stellungnahme von Firmenchef Mike O’Brien. "Ihr Angriff auf die Community war unakzeptabel, daher sind sie nicht mehr Teil des Unternehmens." Ihre Äußerungen würden nicht die Haltung von Arenanet abbilden.

Auch das sorgt allerdings für Kritik. Wenngleich Prices Reaktion auf die Kritik auf Twitter durchaus als unangemessen angesehen werden kann, wirft die Vorgehensweise die Frage auf, wie es Arenanet mit der Rückendeckung für seine Mitarbeiter hält. Entwickler – speziell weibliche –, die in sozialen Medien auftreten, erhalten freilich ständig Feedback zu ihrer Arbeit, die häufig auch nicht gerade freundlich ausfällt.

Beispielwirkung

Dass auf die Verbalattacke auf den Youtuber gleich eine Kündigung und nicht etwa eine Verwarnung folgt, könnte insofern ein schlechtes Beispiel geben, als sich in besagtem Reddit-Forum Nutzer bereits darüber gefreut hatten, "mit genug Aufruhr" jeden "Guild Wars 2"-Entwickler beruflich stürzen zu können.

Price selbst sieht es gegenüber Kotaku ähnlich: "Die Botschaft ist sehr klar, besonders für Frauen in der Firma: Wenn Reddit will, dass du gekündigt wirst, werden wir dich kündigen." Arenanet hat sich zu ihren Vorwürfen noch nicht geäußert.

Richtlinien von Arbeitgebern gefordert

In einer Reaktion auf den Vorfall schaltete sich Anfang der Woche die Independent Game Developers Association (IGDA) ein und forderte Branchenunternehmen dazu auf, klare Richtlinien für ihre Mitarbeiter festzulegen und zu kommunizieren.

"Oftmals lieben es die Entwickler, mit ihren Fans zu interagieren, und diese Interaktionen können sehr hilfreich für die Entwickler und die Spieler sein", schreibt IGDA-Executive-Director Jen Maclean in einem Blogeintrag. "Ohne klare Informationen zur Nutzung von Social Media seitens der Arbeitgeber ist diese Interaktion aber ein Spiel, das die Karriere und den Arbeitsplatz gefährden kann – und sogar die persönliche Sicherheit. Spielentwickler sind häufig Ziel von Belästigungen, speziell wenn sie Teil einer unterrepräsentierten Community sind. Firmen müssen vorausplanen, wie sie ihre Mitarbeiter unterstützen können, wenn diese online belästigt werden", heißt es. Zudem müsste Mitarbeitern klar kommuniziert werden, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen, um online einen sicheren, produktiven und positiven Umgang zu gewährleisten, speziell wenn Arbeitgeber dies von ihnen einfordern. (gpi, zw, 11.07.2018)