Ufos über Schönbrunn! Im kuriosen Filmklassiker 1. April 2000 ziehen Österreichs außerirdische Besatzer mit ihren Raumschiffen endlich ab. Österreich ist frei! Happy End! So sah Science-Fiction anno 1952 aus, noch dazu im Staatsauftrag.
Aber eigentlich hatte man 1948 im Ministerrat – den Staatsvertrag herbeisehnend – beschlossen, einen "repräsentativen Propagandafilm" zu drehen, um das beschädigte Österreich-Bild zurechtzurücken, um mit den Schönheiten der Alpenrepublik, den nettesten und diplomatischsten Menschen und deren Aufbauleistungen ein hübsches Image zu zimmern. Allerdings wurde nach Komiteegründungen und Ideenfindungen per Preisausschreiben eine Komödie gedreht: Der finanziell aufwendigste Film in eigener Sache war ein totaler Klamauk mit Stars wie Curd Jürgens, Hans Moser und Helmut Qualtinger.
"Das ist mein Lieblingsjahr", sagt Kunst- und Fotohistorikerin Monika Faber über diese bizarre Staatsfilmaktion. Die Werbefotos zum Film bilden eine von insgesamt 100 Stationen der Mumok-Schau Photo/Politics/Austria. Allerdings katapultiert ihre Skurrilität mitten hinein in die 100-jährige Republikseele, die hier quasi in ebenso vielen Schritten erkundet werden kann.
Es ist eine auch dank ihrer Macherinnen (Bonartes-Leiterin Faber kuratierte gemeinsam mit Susanne Neuburger; Display: Markus Schinwald) furiose fotografische Zeitreise durch Österreichs Geschichte (der unverständlicherweise Geld aus dem Gedenkjahrfördertopf verwehrt blieb): Sie beginnt 1918 mit den Kriegsheimkehrern und endet 2018 mit einem auf die Welterbediskussion anspielenden karikierenden Canaletto-Blick. Dazwischen der Einzug der neuen, 1951 gegossenen neuen Pummerin in Wien. Den heiligen Anblick der auch "Stimme Österreich" genannten Glocke suchten manche im Taschenspiegel "einzufangen". Oder auch die Flitzeraktion 1982 am Podium des Neujahrskonzert: Zwei Männer protestierten dort völlig nackt für mehr Schwulenrechte. Allerdings führte der ORF, um solche spontanen Störungen künftig kontrollieren bzw. zensieren zu können, daraufhin die 15-Sekunden-Verzögerung für Live-Übertragungen ein. Irgendwie schade.
Und so wie das Reisen durch die Zeit schwindlig machen kann, lässt auch diese fantastisch und pointiert geratene Jahrhunderttour mit Stationen zu Politik, Kultur, Sport und Gesellschaft den Besucher taumeln – durch Gefühlshöhen und -tiefen. Denn mit Humor und Ironie allein ist den Verwerfungen der Zeitgeschichte nicht beizukommen.
Brechung der Propaganda
Beispielsweise jener anonymen Fotografie, die für das Jahr 1944 steht, freilich damals in keiner Gazette publiziert wurde und den Zynismus symbolisiert, mit dem man Menschen in den Tod schickte: Sie zeigt Häftlinge in Mauthausen, die gezwungen wurden, Leidensgenossen auf ihrem Weg zur Hinrichtung mit "fröhlicher Musik" zu begleiten.
Auch Heimrad Bäckers in den 1970ern entstandene Fotografie der Todesstiege braucht keine weitere Brechung. Anders die Fotos von Austrofaschist Engelbert Dollfuß, die im Zusammenspiel den gezielten Bilderkult, die Märtyrerbildung, entlarven. Eine Propagandamontage, in der Hitler 1938 quasi vom Burgtheater direkt hinein in die Ausstellung Der ewige Jude in der Nordwestbahnhalle zu fahren scheint, ist daher sehr subtil einer auf einem Klohäuschen – Ja! – mit Hakenkreuzfähnchen winkenden Menge gegenübergestellt.
Ist Historie überhaupt beschreibbar, erzählbar, verstehbar? Diese vom Philosophen Siegfried Kracauer in Geschichte – Vor den letzten Dingen (1969) aufgeworfenen Fragen schwingen in der Schau – nicht allein durch Zitate untermauert – mit. Er wandte sich gegen die Naivität der Historiografen und Fotografen. Dieser Befangenheit des Bruchstückhaften sind sich die Ausstellungsmacherinnen bewusst, und so gibt es Zuspitzungen mittels Bild- und bisweilen launigen, stets prägnanten Textkommentaren.
Aber um zum Skurrilen zurückzukommen: 1965 drehten die Beatles nicht nur im Salzburgischen für ihren Film Help!, nein, auch die Klischeeschmonzette The Sound of Music entstand dort in diesem Jahr.
Uneingeschränkte Empfehlung. (Anne Katrin Feßler, 12.7.2018)