Verblassende Porträts von Frauen mit Kopftuch: Schon 1976 thematisierte Yalter weibliche (Un-)Sichtbarkeit.

Foto: Simon Veres

Es scheint die Aussage zur Stunde zu sein: Exile is a hard job heißt die Ausstellung in der Wiener Galerie Winter. Die Werkserie gleichen Titels hat die 1938 in Kairo geborene, in der Türkei aufgewachsene und seit 1965 in Paris lebende Künstlerin Nil Yalter allerdings schon 1976 begonnen. Seit damals hat sie sich basierend auf ihrer eigenen Migrationserfahrung mit dem Leben türkischer Migranten in Frankreich befasst.

Yalter dokumentierte ihre Wohnverhältnisse, aber auch ihre Arbeitsplätze, wobei beides nicht selten zusammenfiel: Die Fotoarbeit Garment Workers zeigt Textilarbeiter und Näherinnen in ihren winzigen Wohnungen. Teil der Fotocollagen, denen die Künstlerin eine orientalisch -ornamentale Rahmung verlieh, sind außerdem Texte: "Anderer Leute Häuser werden zu Dächern der Sklaverei; die Mutigen werden zu Knechten", steht da geschrieben – ein Satz, den die Künstlerin aus einem Gedicht des türkischen Schriftstellers Hasan Hüseyin (1927–1984) zitiert.

Schon in den 1970er-Jahren an einer Zusammenführung soziologischer und künstlerischer Ansätze interessiert, hat Nil Yalter auch in die Arbeit Chicago (1974) Textpassagen integriert: Neben den Fotografien eines sozialen Wohnbaus steht ein Exzerpt eines kritischen Artikels aus Le Monde oder Notizen Yalters zum Viertel Bois de l’Etang. Der Wohnkomplex wurde in den späten 1960er-Jahren als Immobilienspekulation im französischen La Verrière gebaut. Sie zitiert Friedrich Engels’ Essay Zur Wohnungsfrage und zeigt exem plarisch das Abdrängen armer Bevölkerungsteile in die Wohnsilos am Stadtrand auf.

Wiederkehr der Bilder

Aufbauend auf älteren Arbeiten formuliert die Künstlerin ihre Kritik an der Gegenwart: Exile is a hard job (1976/2015) steht da etwa in Form eines Neonschriftzugs auf einer Leinwand. Darauf zu sehen sind verblassende Porträts von Frauen mit Kopftuch, Bilder also, mit denen sie die bis heute anhaltende Diskussion über weibliche (Un-)Sichtbarkeit thematisiert.

Die Gegenwart eingeholt hat die Assemblage Habitation Provisoires, was übersetzt in etwa Behelfsbehausung heißt: Zu sehen sind die Zeichnung, das reale Objekt und der Fundort eines Kinderschuhs, den die Künstlerin 1974 in der Türkei auflas. Heute rückt die einstige Geschichte des Schuhs in den Hintergrund. Es ist die aktuelle Wiederkehr dieser Bilder, die erschreckend ist. (Christa Benzer, 16.7.2018)