Der allgemein stark ausgeprägte Nationalstolz auf dem Balkan wird auch in Kroatien oft zum Nationalismus verwässert.

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Moskau – Wie kroatische Fußballspieler Siege feiern, weiß neuerdings die ganze Welt. Dank Smartphones und einem bisweilen sehr ausgeprägten Mitteilungsbedürfnis. Nach ihrem Achtelfinale gegen Argentinien sangen sie wieder einmal "Bojna Čavoglave". Das Lied stammt von der Band Thompson, deren Frontmann Marko Perković zu Beginn der 1990er-Jahre im Unabhängigkeitskrieg kämpfte. Texte der Gruppe sind ultranationalistisch, in ihnen wird häufig die faschistische Ustascha verehrt.

"Bojna Čavoglave" beginnt mit dem Gruß "Za Dom – Spremni" (Für die Heimat – bereit). Es ist der Ruf der Ustascha, Verbündete der Nazis in Deutschland. Unter ihrer Diktatur wurden von 1941 bis 1945 Hunderttausende in Konzentrationslagern ermordet. Doch "Bojna Čavoglave" ist in Kroatien auch "Mainstream", das Lied "kann man durchaus als inoffizielle Hymne Kroatiens bezeichnen", sagte Dario Brentin vom Zentrum für Südosteuropastudien an der Universität Graz bei N-TV.

"Rennen, obwohl es nicht mehr geht"

Nationalstolz zu zeigen ist in Kroatien nicht verwerflich, allerdings driftet dies auch aufgrund der großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme gerne in Nationalismus ab. Nicht zuletzt Fußballer irritierten in der Vergangenheit mit unzweifelhaften Gesten: Josip Šimunić, einst bei Hertha BSC tätig, wurde 2014 vom Weltverband Fifa unter anderem für die WM gesperrt, weil er nach einem Qualifikationsspiel den Ustascha-Gruß gezeigt hatte.

Aus diesem krude anmutenden Nationalstolz ziehen nun auch die kroatischen Fußballer ihre Kraft. Der Kroate Niko Kovač, einst Trainer der Nationalmannschaft, jetzt bei Bayern München, schrieb in der "FAZ": "Wir sind emotionale Menschen. Und wir besitzen einen, nicht negativ gemeint, gewissen Patriotismus. Ich kenne es auch von mir. Wenn man das Trikot mit dem Schachbrettmuster anzieht, dann ist es, als ginge ein Schalter an. Dann kann man noch rennen, obwohl es eigentlich nicht mehr geht."

Ustascha-Gruß gerichtlich anerkannt

Die Wirkung ist wechselseitig. Die Fußballer, genannt die "Vatreni" (Die Feurigen) oder "Kockasti" (Die Karierten), sind mehr noch als andere Ballsportler die Verkörperung ihres seit 1991 unabhängigen Staates. Die Euphorie, die sie mit ihrem Finaleinzug bei der WM nun in der Heimat ausgelöst haben, steht im krassen Widerspruch zu den sonstigen Befindlichkeiten im Lande. Sie überdeckt, dass viele Kroaten fünf Jahre nach dem Beitritt zur EU nur noch eine mangelnde Lebensperspektive erkennen.

Die aktuellen Nationalspieler geben sich betont unpolitisch – und scheinen es auch zu sein. Bisweilen erwecken sie dabei den Eindruck, als wüssten sie gar nicht, welche Irritationen sie mit ihrer Symbolik oder ihren Gesten auslösen, als beschäftigten sie sich gar nicht ernsthaft mit dem, was sie da singen und sagen. Hinzu kommt, dass der umstrittene "ZDS"-Gruß der Ustascha von kroatischen Gerichten anerkannt wurde, mit der fragwürdigen Begründung, es handele sich um einen alten kroatischen Gruß.

Präsident des kroatischen Fußballverbandes, einer geradezu heiligen Institution, ist übrigens Davor Šuker, ein Nationalheld, weil Mitglied der Mannschaft, die 1998 bei der WM in Frankreich Dritter wurde. 1996 posierte er in Madrid stolz vor dem Grab des Ustascha-Führers Ante Pavelić. (sid, red, 13.7.2018)