Tosca (Lada Kyssy) will ihren Geliebten Cavaradossi (Oscar Marin, vorne) vor Folter und Hinrichtung bewahren. Büßen muss der skrupellose Polizeichef Scarpia (Michele Kalmandy) – ein #MeToo-Sünder wie aus dem Buche.

Foto: Reinhard Podolsky

Gars am Kamp – Es fließt Blut auf der Babenbergerburg. Viel Blut. Eben wurde der finstere Polizeichef Scarpia (Michele Kalmandy) von Tosca (Lada Kyssy) erdolcht. "Muori!" – "Stirb!", sagt die Diva zum Bösewicht, der sich für den Todeskampf theatralisch auf dem Esstisch windet. Es scheint, als bereite Scarpia sogar dieser letzte Akt der Gewalt noch Lust – gehört er doch zu jenen Männern, deren therapiebedürftige Libido sich erst an der Zurückweisung entzündet.

Durch den Mord ist Tosca gerade jener "einvernehmlichen Vergewaltigung" entgangen, die ihr Scarpia als Preis für die Begnadigung ihres Geliebten Cavaradossi (Oscar Marin) abzupressen versucht. Der hatte sich als Fluchthelfer für den politisch Verfolgten Angelotti (Vasile Chisiu) betätigt. Die beiden "Voltairianer" büßen ihr Eintreten für die Freiheitsideale der Französischen Revolution mit dem Tod.

Wenn Cavaradossi vor seine Richter tritt, erinnert das Szenenbild an Francisco de Goyas "Erschießung der Aufständischen". Aufstellung nimmt er auf einem riesigen, blutgetränkten Leichentuch des Scarpia – ein Schüttbild, hergestellt von der Garser Bevölkerung. Deren mittelalterliche Burg ist heute zur römischen Engelsburg mutiert. Ein zu Stein erstarrter Erzengel Michael hoch oben auf den Zinnen deutet es an. Das Schwert, das er hinabstößt, gilt dem Bösen.

Flucht, "Fake-News", #MeToo

Zuvor hat der wehrhafte Engel "Lichter der Aufklärung" entzündet. Das mag geistesgeschichtlich hinken, es ist aber ganz im Sinne Johannes Wildners, der im fünften Jahr seiner Intendanz in Gars weiter die Aufklärung in den Mittelpunkt stellen will. Giacomo Puccinis "Tosca", 1900 uraufgeführt, gehört zu den meistgespielten Allzweckwaffen der Operngeschichte. Lässt man die Romanze beiseite, so zeitigt der Dreiakter aber gerade heute erstaunliche Aktualität: Flucht, Machtmissbrauch, "Fake-News" und vor allem #MeToo steckt da drin.

Das Regiegespann Wolfgang Gratschmaier und Stephanie Schimmer hat die Garser "Tosca" dennoch ganz klassisch inszeniert und in den Details immer wieder selbstironische Komik eingefügt, etwa wenn Ministranten "Calcio" spielen oder der Nonnenchor wie im Film "Sister Act" durch die Kirche swingt. Das ist stimmig, gilt Puccinis unaufdringlich die Handlung rahmendes Werk doch als wegweisend für die Filmmusik Hollywoods. Aus der orchestralen wie gesanglich routinierten Kollektivleistung stach am Ende niemand besonders hervor, weder positiv noch negativ. Dafür gab es freundlich anerkennenden Applaus. (Stefan Weiss, 13.7.2018)