Donald Trump besuchte Theresa May.

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Zehntausende demonstrierten in London, Glasgow und Edinburgh gegen den US-Staatsgast, geleitet von einem sechs Meter hohen Heliumballon in Form eines zornigen Trump-Babys in Windeln.

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In der schmalzigen Filmkomödie Love, Actually spielte Hugh Grant 2003 einen britischen Premierminister, der den Besuch eines arroganten und sexistischen US-Präsidenten erdulden muss. In der Pressekonferenz macht der gequälte Regierungschef seinen Gefühlen Luft. Das Verhältnis zu den USA habe sich verschlechtert: "Ein Freund, der uns herumschubst, ist kein Freund mehr. Und da solche Leute nur auf Stärke reagieren, sollte sich der Präsident darauf gefasst machen, dass ich von nun an mehr Stärke zeigen werde.", sagte er.

Ob Theresa May gern diese Sätze gesprochen hätte, als sie am Freitagnachmittag mit Donald Trump vor die Kameras trat? Die 61-Jährige müsste ein Herz aus Stein haben, wenn sie sich vom derzeitigen Bewohner des Weißen Hauses nicht herumgeschubst ("bullied") fühlte. Aber die Konservative würde an diesem Tag nicht die Vollendung ihres zweiten Jahres in der Downing Street feiern, wenn sie nicht gelernt hätte, sich zu beherrschen. Also spult sie alles ab, was man eben so sagt: Die Beziehungen zu den USA seien hervorragend und würden nach dem Brexit im kommenden März noch besser werden – wenn die beiden Länder nämlich den geplanten Freihandelsvertrag abschließen würden.

Schwierige Diplomatie

Nur einmal in ihrem Eingangsstatement lässt May durchblicken, dass es nicht nur gemütlich zuging hinter verschlossenen Türen. Auf der Weltbühne müsse man "gelegentlich auch dazu bereit sein, Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen". Das muss sie sein, die Anspielung auf jenes Zeitungsinterview, mit dem Trump am Vorabend die Krise der britischen Regierung wegen des EU-Austritts mutwillig vergrößerte. Er habe May gesagt, wie sie die Verhandlungen mit der EU führen solle, wird der US-Präsident im Boulevardblatt The Sun zitiert. "Aber sie hat nicht auf mich gehört." Die im neuen Weißbuch angestrebte enge Kooperation mit Brüssel sei "nicht das, wofür die Menschen gestimmt haben". Den als Außenminister zurückgetretenen Brexit-Cheerleader Boris Johnson lobt er hingegen für dessen "richtige Einstellung: Er wäre ein großartiger Premierminister."

Die Freitagausgabe des Millionenblattes mit der Schlagzeile "May hat den Brexit ruiniert" ist von Donnerstagabend an in Regierungs- und Parlamentszirkeln das Thema Nummer eins. In der gemeinsamen Pressekonferenz am Freitagnachmittag versucht der Besucher noch, das Interview als "fake news" herunterzuspielen. Damit knüpft er an die verzweifelten Schadensbegrenzungsversuche an, die Mays und Trumps Teams vom frühen Freitagmorgen an unternommen hatten, um die protokollarische Kriegserklärung abzuschwächen. Das Brexit-Weißbuch sei ja erst Donnerstagmittag vorgestellt worden, hieß es in der Downing Street. Der Präsident habe "nie irgendetwas Schlechtes" über May gesagt, halte sie im Gegenteil für eine "wirklich tolle Person", teilte Sarah Huckerbee Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, mit. Der britische Außen-Staatsminister Alan Duncan verneinte gegenüber der BBC, dass Trump sich unhöflich verhalten habe; als Gastgeber werde man jedenfalls den kontroversen Gast auch weiterhin freundlich und zuvorkommend behandeln.

Komplimente

Der Präsident weiß es zu schätzen. Bei der Pressekonferenz nach seinen Gesprächen mit May auf deren Landsitz Chequers überhäuft Trump die Gastgeberin mit Komplimenten: May sei "ganz besonders", er empfinde große Zuneigung für sie. Neben der mit stoischer Miene zuhörenden Regierungschefin schwärmt der großspurige New Yorker von den "sehr, sehr starken Beziehungen". Dass es grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung der Nato und des Welthandels gibt, dass die Premierministerin kürzlich auch öffentlich die Behandlung illegaler Einwanderer in den USA kritisiert hatte – alles vergeben und vergessen.

Nur einmal prallen die diametral unterschiedlichen Weltsichten Trumps und Mays aufeinander. Die Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte sei "schlecht gewesen für Europa", behauptet Trump pauschal und setzt erkennbar Immigranten mit Terroristen gleich. May bekräftigt aber: "Alles in allem war die Einwanderung gut für unser Land. Die Kontrolle über unsere Grenzen gehört dazu."

Trumps erster offizieller Termin auf der Insel war am Donnerstagabend ein Besuch auf Schloss Blenheim bei Oxford, dem Geburtsort des berühmten Weltkriegspremiers Winston Churchill (1874-1965). Dort wurden der Präsident und seine Gattin Melania von May und ihrem Mann Philip mit militärischen Ehren empfangen, ehe die Paare mit Industrievertretern schottischen Lachs, englisches Beef und Erdbeeren mit Sahne verzehrten. Beim Galadinner habe Trump höchst positiv über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen den Atlantik-Anrainern gesprochen, sagte Außenhandelsminister Liam Fox.

Das klang in Trumps Sun-Interview ganz anders. Die vor Wochenfrist festgelegte weichere Brexit-Linie, die den Rücktritt Johnsons sowie des Brexit-Ministers David Davis nach sich gezogen hatte, mache den ins Auge gefassten Freihandelsvertrag unmöglich, heißt es darin. "Wir müssten ja wieder mit der EU verhandeln anstatt mit dem Vereinigten Königreich", gab Trump zu bedenken. Tatsächlich wünschen sich die Briten eine Freihandelszone für Güter mit der EU; dafür wollen sie "ein gemeinsames Regelwerk", also die EU-Regeln, anwenden.

Tee mit der Queen

Weil Brexiteers innerhalb und außerhalb der konservativen Fraktion Sturm laufen, sind Trumps Worte Wasser auf deren Mühlen. "Freunde und Verbündete sollten zusammenhalten", schrieb Barack Obama vor zwei Jahren den Briten ins Stammbuch; die EU vermindere den britischen Einfluss nicht, sondern vergrößere ihn. Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson führte Obamas Haltung damals auf dessen "halb-kenianische Herkunft und Abneigung gegenüber dem Britischen Empire" zurück.

Der Amtsinhaber feiert an diesem Wochenende seine halb-schottische Herkunft bei einem Besuch auf seinem Golfplatz bei Glasgow. Am Freitag rundete eine Tasse Tee mit Queen Elizabeth II auf Schloss Windsor das gut 24-stündige Besuchsprogramm des Präsidentenpaares ab. (Sebastian Borger aus London, 13.7.2018)