Großer Bahnhof für den Vizeweltmeister in Zagreb.

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Die Feurigen beim Baden in der Menge.

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Moskau – Kroatien hat den Sprung auf den Gipfel verpasst. Die Enttäuschung war in den ersten Stunden nach der 2:4-Niederlage im WM-Finale gegen Frankreich riesengroß. Doch Ivan Rakitic, Luka Modric und Trainer Zlatko Dalic verließen die größte Fußballbühne erhobenen Hauptes.

"Wir sind sehr traurig, aber auch sehr stolz", fasste Dalic die Gefühle zusammen. Modric, der zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, wollte nichts bedauern. "Sie werden feiern, aber wir können erhobenen Hauptes sein", sagte der Spielmacher. "Du weißt, dass du trotz der Niederlage etwas Großes erreicht hast, aber es ist hart, wenn man so nahe dran ist und noch verliert."

Eine knappe halbe Stunde dauerte es nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Nestor Pitana, bis Fifa-Präsident Gianni Infantino und Russlands Staatschef Wladimir Putin für die Siegerehrung bereit waren. Und weil währenddessen der Moskauer Himmel seine Schleusen öffnete, standen Kroatiens Finalhelden nicht nur symbolisch im Regen.

Schwerer Gang für das kroatische Team durch das Spalier der Sieger.
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Unglücklicher Spielfilm

"Am Ende war sogar der Himmel traurig", sagte ein zerknirschter Rakitic. Wie Modric, Mario Mandzukic und dem im Finale bärenstarken Ivan Perisic blieb dem kongenialen Nebenmann von Modric die Krönung versagt. "Meine Gefühle sind schwierig zu beschreiben. Ich sollte stolz sein, aber klar bin ich im Moment sehr traurig und enttäuscht", sagte der Barcelona-Star. "Wir waren klar die bessere Mannschaft, aber so ist eben der Fußball." Die kleinen Details seien für Frankreich gelaufen: "Das Foul vor dem ersten Tor war ganz klar keines, und der Elfmeter war sehr, sehr dubios."

Regisseur Modric kämpfte mit den Tränen. "Wenn du eine solche Unterstützung von den Fans bekommst, macht dich das wieder etwas glücklicher und stolz", sagte er. "Ich möchte auch dem Team danken, ohne die Jungs wäre diese Auszeichnung nicht möglich gewesen. Aber klar, ich wäre lieber Weltmeister geworden."

Kroatien spielte auch nach Rückständen tapfer, lancierte im Luschniki-Stadion Angriff um Angriff, doch Frankreich war an diesem Tag zu kaltschnäuzig – und hatte im nötigen Augenblick das Glück auf seiner Seite. Ein Eigentor von Mandzukic, ein folgenschweres Handspiel von Perisic – das Finale förderte gleich mehrere Pechvögel zutage.

Im Halbfinale noch war Mandzukic mit seinem Siegtor gegen England der gefeierte Mann gewesen, am Sonntag bugsierte er den Ball per Kopf ins eigene Tor. Perisic schien den Fauxpas auszubügeln, traf mit einem satten Linksschuss zum 1:1. Doch wenige Minuten später griff sich der Inter-Mailand-Legionär schockiert an den Kopf: Der argentinische Referee Nestor Pitana hatte mithilfe des Videoassistenten entschieden, dass sein Handspiel im Strafraum elfmeterwürdig war – eine harte, wenn auch richtige Entscheidung. Denn Perisics Hand ging aktiv zum Ball. Griezmann traf zum 2:1, es war Frankreichs erster Schuss aufs Tor.

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Zlatko Dalic coachte Kroatien zu einem unwahrscheinlichen Höhenflug.
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Dalic lässt Zukunft offen

"In einem WM-Finale gibst du so einen Elfmeter nicht", haderte Teamchef Dalic nach der Partie ein wenig. Er gab sich aber als fairer Verlierer. Die Entscheidungen des Referees dürften den französischen Sieg nicht schmälern, so der Trainer. "Der Schiedsrichter hat nur entschieden, wie er es gesehen hat."

Nach dem 2:1 aber nahm das Unheil für Kroatien seinen Lauf. Erst als nach weiteren Toren von Paul Pogba und Kylian Mbappe aus kroatischer Sicht bereits alles verloren schien, stellte Mandzukic noch einmal seinen Torriecher unter Beweis. Der 32-Jährige übernaserte den Dribbelversuch von Torhüter Hugo Lloris und verkürzte auf 2:4. Es war – wie bei Persisic – sein dritter WM-Treffer. Am Ausgang änderte dies nichts mehr, Pogba und Konsorten spielten den Vorsprung zu routiniert nach Hause.

Dalic ließ eine Zukunft nach der erfolgreichsten WM in der noch jungen Geschichte Kroatiens offen. Er werde eine Auszeit nehmen und durchatmen, "ich treffe solche Entscheidungen nicht über Nacht".

Er wird wissen, dass eine Wiederholung eines solchen Turniers keine Selbstverständlichkeit sein wird, ganz im Gegenteil. Seine Schlüsselspieler Modric (32), Rakitic (30), Perisic (29) und Mandzukic (32) entwachsen schon bei der EM 2020 dem besten Fußballeralter.

Heldenempfang

Am Montag wird das kroatische Team in Zagreb wie Helden empfangen werden. Wie sehr die Menschen in dem Land mit vier Millionen Einwohnern mit Stolz erfüllt sind, demonstrierte im Luschniki-Stadion Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic. Im Karo-Dress nahm sie bei der Übergabe der Silbermedaille jeden einzelnen kroatischen Spieler liebevoll in den Arm. Tränen hatte sie dabei in den Augen, aber auch einen Glanz und ein Strahlen, die Freude und Stolz ausdrückten. Dalic sprach aus, was viele Kroaten dachten: "Ich habe den Spielern gesagt: Ihr könnt erhobenen Hauptes gehen, ihr könnt stolz sein." (APA, sid, red, 16.7.2018)