"Viele Patienten wissen schlicht nicht, dass man vorbeugend gegen Kopfschmerzen vorgehen kann", ist die Kopfschmerzexpertin Stefanie Förderreuther überzeugt.

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Zu oft, zu lange oder zu hoch dosiert werden Schmerzmittel häufig eingesetzt. Die Folge: Kopfschmerzen können dadurch verstärkt und chronisch werden. Schätzungen zufolge leidet etwa ein Prozent der Menschen an Kopfschmerzen, die durch die Überdosierung von Schmerz- und Migränemitteln hervorgerufen werden. In Deutschland sind das demnach über rund 800.000 Menschen, in Österreich etwa 80.000.

"Das Krankheitsbild ist häufiger bei Frauen, bei Patienten mit Depressionen, Angsterkrankungen oder anderen chronischen Schmerzen wie etwa Rückenschmerzen", sagt Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DNG). Von chronischem Kopfschmerz durch Übergebrauch von Medikamenten sprechen Ärzte, wenn Patienten mit vorbestehenden primären Kopfschmerzen – zum Beispiel Migräne oder Kopfschmerz vom Spannungstyp – über mindestens drei Monate an 15 oder mehr Tagen im Monat unter Kopfschmerzen leiden und an mehr als 14 Tagen im Monat Schmerzmittel oder an mehr als neun Tagen im Monat Migränemittel (Triptane oder Mutterkornalkaloide), Opioide oder Schmerzmittelkombinationen einnehmen. Im englischen Sprachgebrauch wird dieser Kopfschmerz als "Medication Overuse Headache" (MOH) bezeichnet.

"Die meisten Patienten ahnen nicht, dass Schmerztabletten die Schmerzursache sein können", berichtet Diener. Umso wichtiger sei es, dass über das Risiko aufgeklärt wird und wirksame Behandlungsalternativen aufgezeigt werden. Die DGN hat nun in Kooperation mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) eine neue Leitlinie zu diesem Thema veröffentlicht.

Für Sport und Entspannung sorgen

Empfohlen wird ein dreistufiger Plan: "Die erste Maßnahme sollte stets in der Schulung und Beratung von Patienten liegen, mit dem Ziel, die Einnahme von Akutmedikamenten zu reduzieren. Der zweite Schritt ist eine medikamentöse Prophylaxe der zugrunde liegenden Kopfschmerzerkrankung. Wirkt diese Therapie nicht, sollte als dritter Schritt eine Medikamentenpause angestrebt werden. Dieser Entzug kann je nach Konstellation ambulant, tagesklinisch oder stationär durchgeführt werden", erklärt Charly Gaul von der DMKG.

Damit Kopfschmerz durch ein Zuviel an Medikamenten erst gar nicht entsteht, raten die Experten zu einer konsequenten vorbeugenden Behandlung. Neben Medikamenten helfen Ausdauersport, Entspannung und Stressmanagement, Kopfschmerzattacken vorzubeugen. "Auch die Verhaltenstherapie hat sich in der Prophylaxe als wirksam erwiesen", sagt Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Rostock.

Diese Möglichkeiten der Prävention würden jedoch längst nicht ausgeschöpft, moniert Stefanie Förderreuther von der DMGK. "Viele Patienten wissen schlicht nicht, dass man vorbeugend gegen Kopfschmerzen vorgehen kann. Das ist einfach nicht in den Köpfen der Menschen. Das liegt unter anderem daran, dass sie in der Werbung nur die Akutbehandlung von Kopfschmerzen sehen. Für vorbeugende, in der Regel verschreibungspflichtige Medikamente darf dagegen nicht geworben werden. Und hinter verhaltenstherapeutisch ausgerichteten vorbeugenden Strategien steht keine Firma, die ein Interesse an Werbung hätte." (red, 16.7.2018)