Mit Gift und Zucker überführt Ernst Molden auf seinem neuen Album "Hurra" Songs großer US-Kolleginnen heim nach Wien.

Daniela Matejschek

Das Verhältnis zwischen Europa und den USA ist zurzeit angespannt. Seit das goldene Dachl ins Weiße Haus gezogen ist, herrscht heiße Luft, die sich als dicke niederschlägt – zumindest politisch. In anderen Bereichen ist das transatlantische Bündnis voll intakt. Das Wasser des Mississippi fließt weiter runter ins Delta, nimmt mit, was mit muss, teilt sich, wo es nicht anders geht. Diesem Sog ergibt sich Ernst Molden.

Der Wiener Musiker hat eben ein neues Album veröffentlicht. Es heißt Hurra und fischt im Mississippi nach Songs, die sich heimholen lassen. Heim nach Wien, nach Wean.

Neun Songs sind ihm ins Netz gegangen, einen originär österreichischen hat er am Schluss angehängt: A Nocht laung auf da Autobahn von Sigi Maron beschließt das Album. Ein kleines Roadmovie, das ebenfalls überall spielen könnte

Nicht nur nachspielen

Die anderen neun Lieder sind US-amerikanische Originale. Überwiegend stammen sie von Woody Guthrie und Gillian Welch, eines kommt von Jimmie Rodgers, zwei sind Traditionals. Darunter befindet sich St. James Infirmary. Dass so ein K.-u.-K.-Cowboy solche Songs covert, wäre jetzt noch nichts Besonderes. Doch Molden genügt das bloße Nachspielen nicht.

Um sich in diesen Liedern so richtig einzunisten, überträgt er ihre Texte ins Wienerische. Aus der getragenen Abschiedsballade St. James Infirmary wird die Rudolfstiftung – mit all der existenziellen Schwere des Originals, die Großmeister wie Bobby Blue Bland diesem Lied vor ihm haben angedeihen lassen.

Wiener Voodoo

Mit Molden musizieren Willi Resetarits, Walther Soyka, Hannes Wirth, Andrej Prozorov, Karl Stirner und Hans Theessink. Wobei jeder nur das Notwendigste spielt. Das Sopransaxofon furzt bodennah wie ein Landstreicher nach einem scharfen Gumbo – es herrscht eine gewisse Trägheit, doch sollte man sie nicht mit Fadesse verwechseln.

Die Musik stapelt tief, ist aber feinfühlig gespielt und gescheit getextet, eine Mischung aus Zucker und Gift: Nennen wir es Wiener Voodoo. Sie ist mit sicherem Instinkt von einer Sprache in die andere transformiert worden, ohne ihre Emotionalität am Grenzbalken abzugeben.

De Schwoazzmarie – ein Traditional, aus Louisiana auf den Wagram verpflanzt.
Ernst Molden - Topic

Hard Times von Gilliam Welch wird so zu einem abgebremsten Schwaare Zeit: Kein eitler Tand stört das Narrativ – die Band verbaut den Optimismus des Songs nicht mit anmaßender Interpretation, sondern würdigt knapp und satt seine zeitlose Gültigkeit. Dasselbe gilt für die Woody-Guthrie-Songs.

Das eloquente Songwriting des legendären Folk-Musikers geht in der Übersetzung nicht verloren, Molden gelingt mit der Verlegung eines Titels wie Liad von an featign Mau (Worried Man Blues) eine launige Transformation des Songs an die Donau. Für die hiesige Hobo-Ekstase sorgen Quetsche und Banjo – dabei gilt wieder: Bloß nicht zu dick auftragen. Dergestalt erschaffen Molden und seine Haberer Wienerlieder von universellem Gefühl.

Nicht anscheißen

In Summe ergibt das ein ausgeschlafenes Album, das sich von einem Höhepunkt zum nächsten hantelt, ohne sich dabei zu sehr zu strecken, geschweige denn sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Gleichzeitig – Pardon – scheißt sich hier niemand der Beteiligten vor lauter Ehrfurcht vor dem Ausgangsmaterial in die Hose.

Ein Name aus dieser Zusammenkunft fehlt noch: Ursula Strauss ist ebenfalls mit dabei. Die Schauspielerin singt Look At Miss Ohio in der von Ernst Molden in ein Jessesmaria übertragenen Version. Mit einer formidablen Hausmaster-Gosch'n reißt sie das Lied an sich: "Jessasmaria, schau da bitte di aun / die rennt umadum mitn Kladl gaunz zafetzt / sogt irgendwann bin i brav / owa net grod jetzt." – Riot Girls an der Bassena, Cowgirls im Beserlpark. (Karl Fluch, 17.7.2018)