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Anna Politkowskaja wurde im Oktober 2006 in Moskau ermordet.

Foto: (AP Photo/Miguel Villagran

Straßburg –Russland hat den Mord an der kremlkritischen Journalistin Anna Politkowskaja nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) unzureichend aufgeklärt.

Zwar hätten die russischen Behörden eine Gruppe von Männern verurteilt, die im Jahr 2006 direkt an der Ermordung beteiligt gewesen seien, argumentieren die Straßburger Richter. Sie hätten aber nicht angemessen ermittelt, wer die Drahtzieher des Verbrechens waren, hieß es am Dienstag in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Russland muss nun den Angehörigen der Journalistin, die sich in Straßburg beschwert hatten, insgesamt 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Sowohl Russland als auch die Beschwerdeführer können das Urteil innerhalb von drei Monaten anfechten. Moskau behielt sich diese Option vorerst offen. Man habe noch Zeit, darüber zu entscheiden, hieß es aus dem Justizministerium.

Ermordet im Oktober 2006

Politkowskaja, eine preisgekrönte Journalistin der regierungskritischen russischen Zeitung "Nowaja Gaseta", hatte sich mit Berichten über schwerste Menschenrechtsverbrechen im früheren Kriegsgebiet Tschetschenien viele Feinde gemacht. Sie wurde im Oktober 2006 vor ihrer Wohnung erschossen. Nach langen Ermittlungen wurden 2014 mehrere Männer aus Tschetschenien verurteilt. Einer der Verurteilten starb 2017 in einem Gefängniskrankenhaus.

Russland hätte in Bezug auf mögliche Hintermänner auch prüfen müssen, ob möglicherweise der russische Inlandsgeheimdienst FSB oder die tschetschenischen Behörden in den Mord verwickelt gewesen sein könnten, argumentierten die Straßburger Richter. Diesen Verdacht hegen die Angehörigen Politkowskajas. Sie vermuten ein politisches Motiv hinter der Tat.

Stattdessen habe Russland ausschließlich einen mittlerweile verstorbenen russischen Geschäftsmann ins Visier genommen, der vor seinem Tod in London lebte. Wie die Behörden auf diese Spur gekommen waren, hatten sie nach Ansicht des Gerichts nicht erklärt.

Immer wieder hat es in Russland Morde mit politischem Hintergrund gegeben. Vollständig aufgeklärt wurden die Taten selten. Die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa wurde 2009 im Nordkaukasus erschossen aufgefunden. Obwohl der Kreml eine Untersuchung zusagte, ist die Tat weiter nicht aufgeklärt.

Einer der prominentesten Fälle ist der Mord an dem Ex-Vizeregierungschef und Oppositionspolitiker Boris Nemzow. Er wurde im Februar 2015 nachts in Sichtweite des Kremls erschossen. Fünf Tschetschenen wurden 2017 zu hohen Haftstrafen verurteilt. Nemzows Familie bemängelt aber, dass die Hintermänner noch unbekannt sind. (APA, 17.7.2018)