Wien – Obwohl in Österreich die Zahl der Tötungsdelikte an Frauen zunimmt, werden Angebote von Gewaltschutzeinrichtungen – wie Fallkonferenzen mit ExpertInnen oder auch spezielle Bewährungshilfe für Täter – nicht genutzt. Die Allianz "Gewaltfrei leben" forderte nun u.a. eine Kommission zur Untersuchung von Femiziden (Morde an Frauen durch Männer; Anm.).

"Hochrisikofälle werden jedes Jahr mehr", sagte Irma Lechner vom Verein ZÖF (Zusammenschluss Österreichischer Frauenhäuser) am Dienstag bei einem Pressegespräch. 2017 betreuten die vier Wiener Frauenhäuser 624 Frauen und 640 Kinder. Dabei dokumentierten die Frauenhäuser 107 Fälle von Misshandlungen mit Waffengebrauch, davon 84 mit Messern, sieben mit Schusswaffen und 16 mit anderen Waffen. Gerade wenn Waffen vorhanden sind, sei von äußerst gefährlichen Fällen auszugehen, so Lechner.

Wie viele Frauen pro Jahr durch Gewalt in Beziehungen sterben, werde in Österreich nicht statistisch erfasst, hieß es. Opferschutzeinrichtungen verzeichnen diese Morde anhand von Medienanalysen. In Österreich werden jährlich 20 bis 25 Frauen durch ihre (Ex-)Partner ermordet. Seit 2012 kamen insgesamt 122 Frauen und sieben Männer durch Gewalt in Beziehungen ums Leben. Zahlen zu Mordversuchen scheinen überhaupt nirgends auf, kritisierte die Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, Rosa Logar.

Viele Morde werden angekündigt

"Morde kommen nicht aus heiterem Himmel", betonte Logar. "Wir schätzen, dass mindestens die Hälfte der Fälle angekündigt wird." Gerade die Zusammenarbeit der Institutionen sei bei der Prävention wichtig, so Lechner: "In Fällen von High Risk ist jede Einzelinstitution überfordert." Zur Gefährlichkeitseinschätzung brauche man Daten von allen Einrichtungen, fügte Logar hinzu. "Wir bieten Fallkonferenzen mit Fachleuten an, die Polizei kommt aber nicht mehr, weil sie keinen Mehrwert erkennt." Auch das Angebot der Zusammenarbeit bei der Bewährungshilfe werde von der Staatsanwaltschaft nicht angenommen. "Es gibt da ein Systemproblem bei der Staatsanwaltschaft. Das ist sicher auch einer Ressourcenfrage und zum Teil fehlende Sensibilität", meinte Logar. "Wir haben die Maßnahmen, aber sie werden nicht genutzt. Man muss die Gewalt aber ernst nehmen, auch wenn es nur um die 'kleine Frau' geht."

Auch auf Bundesebene werde ein gravierender Anstieg an Hochrisikofällen und Tötungsdelikten festgestellt, berichtete Eva Schuh vom Bundesverband der Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen. Im Jahr 2017 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik 54 Tötungsdelikte, davon 36 im Familienkreis. In 24 Fällen waren die Opfer Frauen, in jeweils sechs Fällen handelte es sich um Kinder und Männer. 2014 wurden 38 Personen getötet, davon 17 Personen im Familienkreis. "In den letzten vier Jahren kam es zu mehr als einer Verdopplung der Mordfälle im Familienkreis. Medienberichten zufolge gab es 2018 bereits 16 Morde, mehrere davon im Familienkreis", so Schuh.

Besseres Sicherheitsmanagement gefordert

"In einer hochmodernen Gesellschaft können wir das nicht einfach hinnehmen, sagte Logar. "Wir fordern ein umfassendes Sicherheitsmanagement zur Prävention von Gewalt und zum Schutz gewaltbetroffener Frauen." Dazu gehöre eben auch die multi-institutionelle Zusammenarbeit in Hochrisikofällen, die eine koordinierte Gefährlichkeitseinschätzung und Sicherheitsplanung ermögliche. Ohne die Ausweitung des Budgets für Gewaltschutz und Gleichstellungsmaßnahmen seien jedoch keine Verbesserungen zu erwarten. Derzeit seien vom zuständigen Ministerium für Frauen, Familien und Jugend lediglich zehn Millionen Euro veranschlagt. "Wir fordern 210 Millionen Euro", sagte Logar, "Das klingt jetzt utopisch, aber wir finden, das ist nicht zu viel für die Verhinderung schwerer Gewaltverbrechen. Die Sicherheit von Frauen und Mädchen muss unserer Gesellschaft etwas wert sein." (APA, 17.7.2018)