Entscheidende Stellen im Urteil des Verfassungsgerichtshofs bezüglich dem Dritten Geschlecht haben auch Auswirkungen auf Personenstandsänderungen im Allgemeinen, sagt Anwalt Helmut Graupner.

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Wien – Kürzlich entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in der "Causa Alex Jürgen", dass es eine dritte Geschlechterkategorie bei der Eintragung im Personenstandsregister geben muss. Das könnte nun auch Auswirkungen auf Personenstandsänderungen im Allgemeinen haben, etwa von Mann zu Frau und umgekehrt – und zwar was die Nachweispflicht der Geschlechtsidentität mittels Befunden von Psychologen, Psychiatern oder Psychotherapeuten betrifft.

Bereits 2009 entschied der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in dieser Angelegenheit, dass körperliche Merkmale bei der Personenstandsänderung keine Rolle spielen dürfen, was bedeutet, dass seither keine genitalverändernden Maßnahmen mehr notwendig sind. Stattdessen wurden andere Voraussetzungen formuliert, die sich auf das äußere Erscheinungsbild und das Zugehörigkeitsgefühl zum anderen Geschlecht beziehen.

Diagnose Transidentität

Unter Berücksichtigung dieses Urteils müssen die Standesämter eigenständig über etwaige Anträge entscheiden. Zumeist verlangen sie dafür ein Gutachten. In Wien, wo nach Einschätzungen von Experten eine vergleichsweise liberale Handhabe herrscht, muss etwa eine Psychotherapeutin, ein klinischer Psychologe oder eine Fachärztin für Psychiatrie bestätigen, dass die Diagnose Transidentität vorliegt und die vom Verwaltungsgerichtshof erwähnten Punkte zutreffen. Das wird auch vom Gesundheitsministerium so empfohlen.

Die Pflicht, als betroffene Person eine Stellungnahme dieser Art vorzulegen, muss nach dem jüngsten Erkenntnis des VfGH der Vergangenheit angehören, meint Rechtsanwalt Helmut Graupner: "Entscheidende Formulierungen sind allgemein gehalten und nicht auf Interpersonen beschränkt."

Keine Bestätigung

Springender Punkt sei die Betonung der Selbsteinschätzung der Identität. Konkret betont das Höchstgericht, dass niemand eine Geschlechtszuschreibung durch staatliche Regelung akzeptieren müsse, die nicht der eigenen Identität entspreche. Außerdem: Der Gesetzgeber ist "gehalten, eine Eintragung vorzusehen, die die jeweilige individuelle Geschlechtsidentität zu reflektieren vermag".

Ableitungen daraus müssen auch für Transpersonen gelten, sagt Graupner. Welche Geschlechtsidentität eine Person hat, bedürfe keiner Bestätigung oder Prüfung durch einen Psychologen – das sei seit dem jüngsten VfGH-Erkenntnis klar. Es wäre nicht das erste Mal, dass er in Belangen wie diesen recht behält: Neben dem dritten Geschlecht erkämpfte Graupner unter anderem die Öffnung der Ehe und die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare.

Ende des Goodwills

Das Recht von Behörden, den Wahrheitsgehalt von Vorbringen der Antragsteller zu überprüfen, bleibt bestehen, betont Graupner: "Aber bestimmte Beweismittel dürfen nicht mehr vorgeschrieben werden." Bringe man freiwillig ein Attest, könne das weiterhin gelten. Vorstellbar sei aber etwa auch, Zeugen mitzubringen oder das soziale Leben zu dokumentieren.

Der Behörde müsse nur vermittelt werden, dass es sich um keinen "Spaßantrag" oder Rechtsmissbrauch handle. Gegenstand des behördlichen Ermittlungsverfahrens dürfe nicht mehr eine medizinische Diagnose sein, sondern die selbstbestimmte Geschlechtsidentität, die die Behörde zu akzeptieren habe, sagt Graupner: "Sie darf lediglich ihr tatsächliches Vorliegen überprüfen." Damit wären Betroffene nicht mehr auf den Goodwill von Psychiatern, Psychologen oder Therapeuten angewiesen. (Vanessa Gaigg, 24.7.2018)