Wenn es schon zu biblischen Zeiten moderne Massenverkehrsmittel gegeben hätte, wäre Jesus von Nazareth vielleicht ein anderes Zitat im Zusammenhang mit Steinewerfen zugeschrieben worden. "Wer von euch ohne Geruch ist", zum Beispiel. Aber da Jesus keine U6 kannte und in Wien wiederum Ulli Sima von der ehemaligen Arbeiterpartei SPÖ für den öffentlichen Verkehr zuständig ist, gibt es keine Aufforderung zu selbstkritischer Nachsicht, sondern ein Verbot noch zu bestimmender geruchsintensiver Speisen.

Wem was stinkt, ist subjektiv. Das moschuslastige Eau de Toilette kann einem genauso auf die Nerven gehen wie der Geruch des saftigen Leberkässemmerls, das die Büroangestellte hinunterschlingt, während sie von einem Termin zum nächsten hetzt. Der schweißtriefende Bauarbeiter kann sich über den Bierdunst verbreitenden Fortgeher im Wagon beschweren und vice versa.

Ja, natürlich, im Idealfall sollte man seiner Umwelt nur frisch geduscht, dezent parfümiert und ohne Döner begegnen. Der Idealfall wird aber von vielen Faktoren verhindert. Ist es den Öffibenutzern in Wien mittlerweile nicht mehr zumutbar, zehn oder 15 Minuten in einem olfaktorisch herausfordernden, obgleich nicht gesundheitsgefährdenden Raum zu verbringen? Entspannte Toleranz macht das Leben in einer Millionenstadt angenehmer als Verbote. Nicht nur in der U-Bahn.

KONTRA

(Michael Möseneder, 20.7.2018)