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Aushubarbeiten für den Bau von Nordstream 2 in der Ostsee. Die Pipeline soll 2019 fertiggestellt sein.

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"Wir haben gesehen, wie Russland in der Vergangenheit sein Erdgas als geopolitische Waffe eingesetzt hat", sagte John Barraso, republikanischer Senator aus Wyoming. Es bedrohe andere Länder, erpresse Geld von ihnen und bedrohe sie. "Mit der neuen Pipeline versucht Russland, Deutschland und den Rest Europas noch abhängiger, noch manipulierbarer gegenüber dieser Art russischer Nötigung zu machen", begründete der Kongressabgeordnete seine Initiative, Sanktionen gegen Nordstream 2 zu verhängen.

Koautor des Gesetzesprojekts ist mit Senator Cory Gardner ein weiterer Republikaner. Doch treibende Kraft ist offenbar Barraso, der die Strafmaßnahmen gegen das russisch-europäische Pipelineprojekt als "Hilfe" für die eigenen Verbündeten in Europa bezeichnete, sich aus der russischen Abhängigkeit zu befreien. Dazu soll dann der Umfang der LNG-Lieferungen über den Atlantik gesteigert werden. Diese Art Hilfe sei auch im Sinne der eigenen "nationalen Sicherheit", fügte Barraso hinzu.

Widerstand aus Osteuropa

Die Pipeline Nordstream 2 verläuft laut Planungen parallel zur schon existierenden Nordstream gut 1.200 Kilometer durch die Ostsee. Ausgangspunkt ist das nordwestrussische Wyborg, Endpunkt Lubmin bei Greifswald. Trotz Widerstands aus Osteuropa, speziell der Ukraine, und von Umweltschutzorganisationen – der Naturschutzbund Deutschland ist am Donnerstag mit einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert – hat das Milliardenprojekt inzwischen alle rechtlichen Hürden genommen.

Im Gegensatz zu Nordstream ist bei Nordstream 2 freilich bislang Gazprom alleiniger Aktionär. Europäische Gaskonzerne, die Interesse an einem Einstieg bekundeten, haben ihr Engagement wegen der Furcht vor Sanktionen bislang auf den Status als Kreditgeber beschränkt. Namentlich finanzieren Uniper, Wintershall, Royal Dutch Shell, die OMV und Engie das Projekt.

Finanzierung wackelt

Insgesamt 4,75 Milliarden Euro waren die europäischen Energieversorger bereit zu zahlen, um ihren Anteil an der Pipeline zu finanzieren. Die Hälfte davon ist bereits geflossen. Sollten die Sanktionen in Kraft treten, könnte die restliche Finanzierung deutlich schwieriger werden. Von Sanktionen bedroht sind nämlich Firmen und Privatpersonen, die in Exportpipelines einmalig mehr als eine Million Dollar oder pro Jahr mehr als fünf Millionen Dollar investieren beziehungsweise Waren liefern oder Dienstleistungen in diesem Umfang verrichten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sanktionen gegen Nordstream 2 in den USA diskutiert werden. Erste Signale diesbezüglich gab es bereits 2017. Die Beteiligten reagierten entsprechend aufgeschreckt und kritisierten die Sanktionspläne: Uniper-Chef Klaus Schäfer bezeichnete die Gedankenspiele in Washington bereits im vergangenen Jahr als Versuch, "eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen", das Ganze auf Kosten der Sicherheit Europas bei der Energieversorgung. OMV-Chef Rainer Seele, lange Jahre in Moskau aktiv, verteidigte die Pipeline ebenfalls als Stärkung der Energiesicherheit.

Reaktion auf Trumps Auftritt

Dass die Diskussion nun mit neuer Stärke hochkocht, dürfte auch auf den Hergang des Treffens von US-Präsident Donald Trump mit Wladimir Putin zurückzuführen sein. Sein Auftritt wurde in der Heimat als extrem schwach bewertet. Trump galt bis vor kurzem als einer der härtesten Gegner des Pipelineprojekts. Es gehe nicht an, dass Deutschland von den USA militärischen Schutz einfordere, gleichzeitig aber dem vermeintlichen Gegner Russland Milliarden in den Rachen werfe. Berlin solle stattdessen amerikanisches Flüssiggas kaufen, machte der US-Präsident noch beim Nato-Gipfel unverhohlen Klientelpolitik. Erst beim Treffen mit Wladimir Putin in Helsinki am Montag rückte er überraschend von seiner Forderung ab. Zwar versprach er immer noch, mit den Russen auf dem europäischen Energiemarkt konkurrieren zu wollen. Doch Nordstream 2 nannte er plötzlich eine "Entscheidung der Deutschen".

Doch seine Parteikollegen halten offenbar nicht viel von der Idee, die Entscheidung tatsächlich Berlin zu überlassen. Dass nun mit Barraso ausgerechnet ein Mitglied der extrem konservativen Lebensrechtsbewegung und der National Rifle Association die neue Gesetzesinitiative startet, spricht auch dafür, dass Trump in seinen eigenen Reihen an Vertrauen verliert.

Ukraine-Transit unklar

Dieser innenpolitische Machtkampf könnte nicht nur die an Nordstream 2 beteiligten Konzerne teuer zu stehen kommen. Auch die Gesamtversorgung des europäischen Markts ist unklar: 2019 läuft der bisherige Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine aus. Putin hatte in Helsinki zugesagt, diesen Transitvertrag zu verlängern, wenn der Rechtsstreit zwischen Gazprom und Naftogas vor dem Gericht in Stockholm beigelegt ist.

Dieses ohnehin hypothetische Versprechen dürfte angesichts der neuen Drohungen aus den USA mit noch geringerer Wahrscheinlichkeit eingelöst werden. Zuletzt wurde schon bekannt, dass Moskau seinerseits neue Sanktionen gegen die Ukraine vorbereitet. Der genaue Umfang ist zwar nicht bekannt, und die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder sind ohnehin nur noch marginal, aber die Absichtsbekundung deutet nicht darauf hin, dass sich Moskau und Kiew schnell auf eine neue Transitlösung einigen. Für die USA wäre die ganze Entwicklung positiv, wird doch ihr LNG plötzlich konkurrenzfähig. (André Ballin, 20.7.2018)