STANDARD: Sie gaben zuletzt da und dort Interviews. Meistens ging es darum, wie Sie sich als Frau im Sportjournalismus behaupten. Nervt das?

Zellhofer: Ich bin überrascht, dass das immer die erste Kerbe ist, in die geschlagen wird. Jetzt bin ich schon sechs Jahre dabei. Es ist wie das Amen im Gebet: Und, wie ist das als Frau in einer Männerdomäne? Die drei Einstiegsfragen kenne ich schon auswendig.

STANDARD: Gut, dann reden wir über Sexismus in der Sportberichterstattung. Stört es Sie, dass die Regie der Fifa bei Fußballturnieren immer nur gutaussehende Frauen aus dem Publikum zeigt?

Zellhofer: Ich verstehe, dass man dem Zuschauer die schönsten Bilder liefern will. Ob es immer die Frau mit dem größten Ausschnitt oder mit dem durchsichtigsten Trikot sein muss, bin ich mir nicht sicher. Bei Männern werden eher bemalte Bierbäuche gezeigt, ich kann mich an keinen Waschbrettbauch erinnern. Es gibt Optimierungsbedarf. Aber es ärgert mich nicht. Mein Gott, es gibt Schlimmeres.

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STANDARD: Gehört der ÖFB-Cup dazu? Nach fünf Wochen Weltmeisterschaft müssen Sie dieses Wochenende aus Oedt und Siegendorf berichten.

Zellhofer: Ganz und gar nicht. Ich freue mich auf die kommenden Aufgaben. Man hat gar nicht die Möglichkeit, nach der WM in ein großes Loch zu fallen. Es geht Schlag auf Schlag weiter. Jede Aufgabe hat ihren Reiz, es gibt noch viele Fragen zu stellen.

STANDARD: Was ist schwieriger: Schlaue Fragen stellen oder intelligente Antworten geben?

Zellhofer: Es gibt ja angeblich keine dummen Fragen. Als Interviewer kommt es vor, dass man sich eine ganz kreative Frage einfallen lässt und der Befragte setzt daraufhin ein ratloses Gesicht auf. Dann lieber doch eine klassische Frage.

STANDARD: Stichwort 08/15-Frage: Wie zufrieden waren Sie mit Ihrer Arbeit während der WM?

Zellhofer: Man muss etwas Zeit vergehen lassen, man muss die Eindrücke verarbeiten. Aber grundsätzlich bin ich happy, das Positive überwiegt. Unsere Berichterstattung muss sich nicht verstecken. Sie war professionell und mit viel Herzblut aufgezogen. Ich denke, das Publikum hat das honoriert. Aber ich will nicht in Selbstbeweihräucherung verfallen.

STANDARD: Es gibt viele Österreicher, die sich im deutschen Fernsehen besser aufgehoben fühlen.

Zellhofer: In Österreich schimpfen einige und zappen zu ARD und ZDF. Die Deutschen wiederum beschweren sich über Ihre Kommentatoren und schalten zum ORF. In einem Schweizer Kommentar stand zu lesen, der SRF möge sich in Sachen Sportstudio ein Beispiel an ORF oder ZDF nehmen. In Nachbars Garten ist das Gras immer grüner.

STANDARD: Sind Sie selbstkritisch?

Zellhofer: Ja, durchaus. Aber mittlerweile mit Maß und Ziel. Früher habe ich mir jedes Verhaspeln zu Herzen genommen. Ich habe mich davon getrennt und empfinde das als Befreiung. Es ist Fußball, es ist eine Fernsehsendung, es ist okay.

STANDARD: Wollen Sie etwa behaupten, dass Fußball nur ein Spiel sei?

Zellhofer: Es geht nicht um Leben und Tod. Es ist nur Sport. In der Kritik an den Kommentatoren verstehe ich oft die Relationen nicht mehr. Aber natürlich kann ein Fußballspiel über 90 Minuten nervenaufreibend sein. Von Freudenschrei bis Wutausbruch. Und die Emotionen schwappen dann auf die Personen im Umfeld über.

STANDARD: Die deutsche Kommentatorin Claudia Neumann bekam dies zu spüren. Sie wurde in sozialen Medien massiv und weit unter der Gürtellinie angegriffen. Muss man mittlerweile froh sein, nicht von einem Shitstorm getroffen zu werden?

Zellhofer: In der Haut von Claudia Neumann möchte ich nicht stecken. Das muss man erst einmal abprallen lassen, damit muss man umgehen können. Das ist Hardcore. Ich werde gefragt, wieso Männer so reagieren. Ich weiß es nicht, da muss man die Männer fragen. Bei der EM 2016 gab es bereits heftige Angriffe gegen Frau Neumann. Das war schlimm genug. Aber offensichtlich hat das Thema nichts an Reibungskraft verloren.

STANDARD: Hat sich die Situation durch die sozialen Medien verschärft?

Zellhofer: Früher hätte man seinen Unmut beim Bäcker oder im Gasthaus geäußert. Heute ist man in den sozialen Netzwerken ausgeliefert. Okay, wir stehen eben in der Öffentlichkeit, man muss sich ein dickes Fell zulegen. Man kann es nicht allen recht machen, das muss man besser gleich einsehen.

STANDARD: Werden Frauen kritischer beurteilt?

Zellhofer: Ich glaube, dass die Messlatte bei Frauen anders angelegt wird. Als ich begonnen habe, war das zu spüren. Man wird mit Argusaugen beobachtet. Fehler werden härter beurteilt. Da sagt man nicht, kann passieren. Sondern es heißt: Eh klar, die kennt sich nicht aus. Es herrscht ein permanentes Misstrauen. Probiert sich eine Frau auf diesem Feld, wird das wesentlich kritischer beäugt.

STANDARD: Sie kommen gemeinsam mit Ihren Studio-Kollegen Herbert Prohaska und Roman Mählich beim Publikum sehr gut weg. Wie definieren Sie Ihre Rolle innerhalb dieses Trios?

Zellhofer: Ich bin die Gastgeberin. Es ist nicht meine Aufgabe, den Zusehern die Welt zu erklären. Ich führe durch den Abend, ich leite das Gespräch, lasse die verschiedenen Elemente ineinandergreifen. Prohaska und Mählich haben die Routine, sie können als erfahrene Spieler und Trainer den Zusehern das Geschehen näherbringen. Ich gebe den beiden lediglich den Assist.

STANDARD: Die beiden sind Schmähbrüder. Wie wichtig ist der Entertainment-Faktor?

Zellhofer: Sehr wichtig. Sport und Unterhaltung gehören zusammen. Das Ganze hat einen gewissen Ernst, soll aber nicht staubtrocken runtergehen. Wenn Prohaska und Mählich im Studio sitzen, braucht es Freiräume für deren Humor. Die Pointen kommen spontan.

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STANDARD: Mit Thomas Janeschitz und Marcel Koller ist es etwas schwieriger. Der eine ist Mathematiker, der andere Schweizer. Wie lockert man die beiden auf?

Zellhofer: Sie haben einen anderen Zugang, ein anderes Auftreten. Ich empfinde das als positive Abwechslung. Koller ist von Sendung zu Sendung lockerer geworden. Ich habe ihn unter anderen Bedingungen kennengelernt. Er war Teamchef und ich Reporterin. Daraus ergab sich eine Distanz, die man im Zuge der Zusammenarbeit etwas ablegen musste. Er wollte, dass wir per Du sind. Das war eine Umstellung.

STANDARD: Wenn der ORF Übertragungsrechte sündteuer ersteht, entsteht dann ein Spannungsverhältnis zwischen journalistischem Anspruch und dem Verkauf des Produktes? In anderen Worten: Darf man einen Hundskick auch Hundskick nennen?

Zellhofer: Die WM ist ja ohnehin ein Burner. Da muss ich nicht die Werbetrommel rühren. Ich muss nicht sagen: Seien Sie dabei, auch morgen wird es wieder spannend! Wir können auch ansprechen, wenn eine Partie mal nicht der Reißer war. Mählich sprach auf Sendung sogar von einem Hundskick. Wir hatten eine Partie, da war das Highlight als Gerard Piqué ein Vögelchen am Rasen gerettet hat. Das haben wir auch so angesprochen.

STANDARD: Der ORF verliert der Reihe nach Rechte. Die Spiele der Bundesliga und der Champions League finden auf anderen Kanälen statt. Macht man sich da Sorgen um den Job?

Zellhofer: Ich habe keine Angst, dass mir die Arbeit ausgeht. Wir haben die Bundesliga oder Champions League gerne übertragen. Ich bin aber lange genug dabei, um zu wissen, dass der Markt ein umkämpfter ist. Manche Dinge gehen eben nicht, dann kann man den Fokus auf andere Themen richten. Da kann man etwas Neues aufbauen. Das kann spannender sein, als die Klassiker abzuarbeiten.

STANDARD: Neu im Programm sind zum Beispiel Matches der Frauen-Bundesliga.

Zellhofer: Es ist toll, dass wir weiter auf Frauen-Fußball setzen. Das ist ein Zeichen von Nachhaltigkeit. Es wäre ja leicht, nach der EM zu sagen: Danke, das war’s. Und ab damit in die Schublade. Es ist ein Bekenntnis, Frauen-Fußball ernst zu nehmen. Gerade als öffentlich-rechtlicher Sender ist das ein Auftrag.

STANDARD: ORF-Sportchef Hans Peter Trost sucht auch eine Frau als Kommentatorin. Wäre das etwas für Sie?

Zellhofer: Ja, er ist sehr dahinter. Und es wäre auch wünschenswert. Mich reizt es nicht, ich komme dafür nicht in Frage. Ich habe schon vieles ausprobiert und weiß, wo meine Stärken liegen. Kommentieren gehört nicht dazu. (Philip Bauer, Oliver Mark, 21.7.2018)