Wien – Im Juli 2015 verkündet VW, der größte Autobauer der Welt zu sein. Knapp zwei Monate später stürzt ebendieses Unternehmen mit rund 200 Milliarden Euro Umsatz und 600.000 Mitarbeitern weltweit in die größte Krise seit Bestehen. "Was ist los bei Volkswagen?", fragt die Dokumentation VW – Die Macht und ihr Preis am Dienstag um 20.15 Uhr auf Arte. Achim Scheunert blickt hinter die Kulissen und rollt den Skandal von seinen Anfängen an auf.

Was los ist? "Möglicherweise ein Egoproblem", mutmaßt der US-Journalist David Kiley. Und, so zeigt es die Doku, das Problem einer patriarchalen Unternehmenskultur, in der Widerrede traditionell als unangebracht angesehen wurde. Er glaube nicht, dass es viele im Konzern gegeben hätte, die sich ihrem Chef Ferdinand Piëch direkt ins Gesicht zu sagen getraut hätten, eine Entscheidung des langjährigen Vorstandsvorsitzenden sei falsch, mutmaßt Karl-Heinz Büschemann, Journalist der "Süddeutschen Zeitung".

Berüchtigte Testfahrten

Berüchtigt seien etwa die Entwicklungsfahrten mit neuen Autos in Nordeuropa gewesen. "Wenn Piëch mit einer Arbeit nicht zufrieden war, lag am Morgen ein Flugticket auf dem Tisch", erzählt der Verkehrswissenschafter Ferdinand Dudenhöffer. "Und das Ticket hatte nur eine Bedeutung: Der fährt jetzt nach Hause, mit dem ist es aus." Genau diese Art der Führungskultur habe zum Dieselskandal geführt, sagt Kiley.

Die Wurzeln des Skandals reichen laut Scheunert aber noch weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 1933, als VW auf Hitlers Anregung hin die "Mobilisierung der Massen" als Ziel ausruft und diesen 1938 im VW von Ferry Porsche durch die Spalier stehenden Menschen im späteren Werk in Wolfsburg fährt. Nach den durch Zwangsarbeiter im VW-Werk gefertigten Kübelwagen für den Kriegseinsatz ging die ideologische Verblendung nach dem Krieg weiter: Als VW mit dem Käfer seine zweite Chance bekam und das Automodell des Wirtschaftswunders schuf.

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Auslieferungslager von VW in Wolfsberg.
Foto: AP / Markus Schreiber

Ein nächstes Wirtschaftswunder sollte die Eroberung des schwierigen US-amerikanischen Marktes bringen. Tatsächlich schafft VW 2008 mit dem Jetta Diesel mühelos die strikten Abgasnormen. Der Automobilkonzern wirbt mit dem Motto "Clean Diesel", die Manager sind zufrieden und stellen keine Fragen. Standing Ovations, als VW-Chef Martin Winterkorn das Werk in Chattanooga, Tennessee, eröffnet. Dass weder Winterkorn noch Ferdinand Piëch von den Manipulationen gewusst haben sollen, glauben Experten in der Doku nicht. Der Journalist Kiley war mit dem Auto nicht zufrieden: "Der hatte immer Rußflecken an der Stoßstange."

Ab den 1990ern ist das Unternehmen mehr in den Schlagzeilen, als den Managern lieb ist. Korruption, Veruntreuung, nicht zu sprechen von exzessiven Gehältern, die an Führungskräfte ausbezahlt werden, etwa jene 16 Millionen Euro für Winterkorn 2014.

Zu Wort kommt neben Journalisten und Experten in der Doku auch John German, leitender Wissenschafter des Bundesamts ICCT, der den Skandal ins Rollen gebracht hat: "Wir hatten keine Ahnung, was wir da lostreten."

Am Ende: rund elf Millionen manipulierte Fahrzeuge von VW, Audi und Skoda. Prozesse unter anderem in den Vereinigten Staaten und Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Der größte Skandal der deutschen Autoindustrie hat eine lange Geschichte. (prie, 24.7.2018)