Das Büro erinnert ein wenig an einen Indoor-Spielplatz: Neben der Stiege verbindet eine Rutsche die beiden Stockwerke, am Boden liegen Waveboards und Balancewagen. "Sorry für die Verspätung", sagt Florian Gschwandtner, der mit federnden Schritten um die Ecke biegt und noch schnell seine Eltern verabschiedet, bevor er in sein hellbeleuchtetes Büro in der Plus City in Linz führt. Hinter dem Schreibtisch steht eine Gladiatorenmaske, vor dem Fenster baumelt ein Schild mit der Aufschrift "You are so great, talented, awesome."

STANDARD: Herr Gschwandtner, es ist nicht leicht, einen Termin bei Ihnen zu bekommen ...

Gschwandtner: Mein Kalender ist ziemlich voll. Es ist schon schwer genug, da die privaten Termine noch unterzubringen.

STANDARD: Bleibt da noch Zeit für den Sport?

Gschwandtner: Ja, immer. Auch wenn das vielleicht heißt, eine Stunde früher aufzustehen oder länger aufzubleiben. Beim Sport ist die beste Zeit, um über die Arbeit oder Ideen nachzudenken. Zu sagen, man hat keine Zeit für den Sport, ist die größte Ausrede.

STANDARD: Laufen hat wohl Priorität. Wo liegt die optimale Distanz?

Gschwandtner: Ich bin eher der Kurzstreckenläufer, maximal zwölf Kilometer. Bei mir muss das schnell gehen: umziehen, Kopfhörer rein, nicht vertratschen, zing, zing, zing. Ich bin generell im Leben auf Effizienz bedacht.

STANDARD: Die Entwicklung Ihres Unternehmens Runtastic war rasant: 2009 haben Sie es gegründet, 2013 ist das deutsche Verlagshaus Axel Springer eingestiegen, 2015 dann Adidas. Was war für die Entwicklung essenziell?

Gschwandtner: Für mich und meine drei Mitgründer war es zuerst nur ein Projekt neben der Arbeit. Im Oktober haben wir uns dann dazu entschlossen, unsere Jobs zu kündigen. Die Schwierigkeit am Anfang war, Geld aufzutreiben. Von allen bekamen wir nur ein Nein. Vier Gründer, sagten sie, das kann nichts werden – spätestens beim Geld werdet ihr streiten. Und wer will überhaupt mit einem Handy laufen gehen?

STANDARD: Warum haben Sie es nicht sein lassen?

Gschwandtner: Mich hat jedes Nein von neuem motiviert. Wenn mich wer unterschätzt, spornt mich das am meisten an. Wir haben am Wochenende gearbeitet, haben Apps programmiert und das ganze Geld verwendet, um unsere ersten Mitarbeiter zu bezahlen. Die ersten 18 Monate haben wir gar nichts verdient, dann waren es lange Zeit nur 900 Euro im Monat. Ich war die ersten Jahre immer um sechs Uhr im Büro. Viele Start-up-Gründer unterschätzen, was es heißt, da so viel Energie hineinzustecken.

STANDARD: Vielleicht hatten Sie auch einfach mehr Glück als andere...

Gschwandtner: Glück habe ich mit meinen Eltern, die mir sehr viel ermöglicht haben – zu wissen, ich habe eine Absicherung zu Hause. Ein anderes Glück war es, meine Gründerkollegen kennengelernt zu haben. Danach waren es mehr Ehrgeiz und Fleiß und beinharte Arbeit, die das Glück quasi erzwingen. Glück war mehr die Basis für alles, was dann danach gekommen ist.

STANDARD: Ihr Leben war eigentlich anders bestimmt: Sie sollten den Bauernhof Ihrer Eltern übernehmen. Wann war Ihnen klar, dass das nichts für Sie ist?

Gschwandtner: Es gab damals wenig andere Optionen. Ich wäre der designierte Nachfolger am Bauernhof gewesen. Aber schon in der Landwirtschaftsschule habe ich mich nicht wiedergefunden, hatte ganz andere Interessen als meine Mitschüler. Was ich dadurch gelernt habe, ist, was es heißt, den harten Weg durchs Leben zu gehen. Davon habe ich im Nachhinein profitiert. Nach der Schule ist das Leben nur mehr einfacher geworden.

STANDARD: Waren Ihre Eltern enttäuscht, dass Sie den Hof nicht übernommen haben?

Gschwandtner: Ja, aber sie haben schnell gemerkt, dass sie jemanden nicht konvertieren können, wenn kein Interesse da ist. Sie haben immer wieder schwierige Phasen mit mir durchstehen müssen, aber jetzt haben sie es überstanden.

Im Runtastic-Büro in der Plus City bei Linz hat es sich Florian Gschwandtner auch neben der Arbeit sportlich eingerichtet. 240 Mitarbeiter sind in dem Unternehmen beschäftigt.
Foto: hermann wakolbinger

STANDARD: Heute reisen Sie für Termine quer durch Europa. Trotzdem kommen Sie auch regelmäßig in Ihren Heimatort Strengberg in Niederösterreich zurück. Was bedeutet die Heimat für Sie?

Gschwandtner: Am Hof herrscht die totale Ruhe, da hast du keine Nachbarn und bist weg vom Trubel der Arbeit. Strengberg ist mein Kern, mein Ursprung. Dort komme ich zum Lesen oder baue etwas am Hof um. Ich mag den Unterschied zwischen der lauten Stadt und dem ruhigen Land.

STANDARD: Ihr Unternehmen macht einen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich. Da wird mittlerweile sicher auch für Sie mehr herausschauen. Verändert einen das Geld?

Gschwandtner: Nein, ich leiste mir einen besseren Urlaub, das eine oder andere Auto mehr. In der wenigen Freizeit, die ich habe, gönne ich mir mehr. Allerdings wohne ich immer noch in meiner Studentenwohnung. Ich habe mich mehr als Führungsperson verändert. Unter jedem Zettel noch ein Hakerl zu machen und sich alles im Detail anzuschauen geht nicht mehr.

STANDARD: Sie sind oft in den USA unterwegs. Wo sind die größten Unterschiede zwischen den USA und Österreich in der Unternehmenskultur?

Gschwandtner: In den USA ist die unternehmerische Grundeinstellung sehr viel positiver. Projekte werden größer gedacht. Wenn dort ein 19-Jähriger zu dir kommt und dir weismacht, er baut das nächste Milliardenunternehmen auf, kannst du es ihm glauben oder nicht – aber zumindest glaubt er daran. Von den USA habe ich auch gelernt, dass nicht Europa, sondern die Welt unser Markt ist. Die Österreicher neigen dagegen eher zum Jammern und sind bei neuen Ideen skeptisch.

STANDARD: Warum haben Sie Ihren Unternehmenssitz dann nicht in New York oder San Francisco statt in Pasching bei Linz?

Gschwandtner: Für uns hat sich das quasi so ergeben. Wir haben alle in der Nähe studiert, hatten unsere Wohnungen hier, das Büro war billig zu bekommen. Hier haben wir genug Platz, viele Geschäfte sind gleich nebenan. Ein weiterer Vorteil ist, dass es vergleichs-weise wenige Unternehmen in der Umgebung gibt, welche dir die Mitarbeiter streitig machen. Es ist dafür auch schwieriger, die guten Leute aus der ganzen Welt herzubekommen.

Für eine Rutsche zwischendurch ist Florian Gschwandtner schnell einmal zu haben.
Foto: hermann wakolbinger

STANDARD: Haben Sie in Ihrem Unternehmen einen Mangel an Fachkräften?

Gschwandtner: Im technologischen Bereich ist es generell schwierig, Mitarbeiter zu finden. Wir haben fünfzehn bis zwanzig offene Stellen. Das liegt auch daran, dass der Frauenanteil in technisch orientierten Berufen immer noch gering ist, weil schon von den Eltern ein anderes Berufsbild vermittelt wird. Bei uns im Unterneh- men liegt der Anteil bei rund 30 Prozent.

STANDARD: Im Oktober 2017 waren Sie als Experte im Regierungsteam im Bereich "Digitalisierung & Innovation" tätig, um die Entscheidungsträger zu beraten. Was gibt man der Regierung als Input?

Gschwandtner: Ich habe mich dafür eingesetzt, die banalen Dinge schneller zu digitalisieren. Wir sollten nicht auf bestehende IT-Systeme aufbauen, sondern grundsätzlich neue entwickeln. Ich habe mich auch für das Programmieren als dritte Fremdsprache ab der Grundschule eingesetzt. Die Grundsätze des Programmierens sollte jeder verstehen, egal ob man sich dafür entscheidet oder nicht.

STANDARD: Sie haben sich auch für mehr Mathematik an den Schulen ausgesprochen. Viele Schüler würden Sie wohl dafür hassen ...

Gschwandtner: Ja, das glaube ich auch. Trotzdem: Die Mathematik sollte praxisnaher gestaltet sein, sodass man auch den Sinn davon versteht. Ich habe den Sinn bei meiner Matura nicht verstanden – jetzt ist es die Grundlage meiner Arbeit. Noch heute gebe ich Bewerbern Rechenaufgaben: Was sind 70 Prozent von 4000? Wenn jemand dafür länger als 30 Sekunden braucht, weiß ich nicht, ob es die richtige Person für den Job ist.

STANDARD: Das Programmieren soll aber auch nicht Ihre Stärke gewesen sein ...

Gschwandtner: Stimmt. Ich war nie gut im Programmieren, weiß aber, wie es grob funktioniert. Damit kann ich jenen, die ein Projekt umsetzen, ungefähr erklären, wie ich es gerne hätte. Einen Einblick in die verschiedenen Bereiche zu haben kann enorm wichtig sein.

STANDARD: Es gibt eine Rutsche und Sportgeräte im Büro: Sollen Mitarbeiter möglichst viel Zeit am Arbeitsplatz verbringen?

Gschwandtner: Nein, wir haben hier kein Google-Prinzip. Man soll sich natürlich wohlfühlen. Wir haben auch schon übereinander und ohne Klimaanlage gewohnt. Das hat auch Spaß gemacht. Die zusätzliche Einrichtung ist mit dem Wachstum gekommen.

STANDARD: Sie sind jetzt 35 Jahre alt. Sind die arbeitsintensiven Tage in Zukunft vorbei?

Gschwandtner: Ja, ich möchte meine Arbeit reduzieren. Das beginnt damit, dass ich erstmals alle meine 25 Urlaubstage nehme. Auch E-Mails lese ich am Wochenende nur mehr selten.

STANDARD: Neben der Runtastic-App gibt es mittlerweile auch eine Armbanduhr. Was soll noch kommen?

Gschwandtner: Sprache ist für uns das große Thema, beispielsweise das Trainingsprogramm mit dem Sprachassistenten Alexa zu verbinden. Die Trainings werden viel individualisierter, mit einer genau angepassten Ernährung und einem Trainingsplan. Mithilfe künstlicher Intelligenz könnte der Trainingsplan dann in Echtzeit an die Person angepasst werden. (Jakob Pallinger, 22.7.2018)