Beim Bergauflaufen ist das Herz-Kreislauf-System mehr gefordert, beim Runterlaufen die Muskulatur.

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Franziska Zoidl beschäftigt sich beruflich mit Fitness und Gesundheit. Das beeinflusst auch ihre Freizeitgestaltung.

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Man sollte sich ja grundsätzlich nicht mit anderen Menschen vergleichen. Schon gar nicht im Startbereich eines Berglaufs. Da sieht man nämlich viele Menschen, die ausschauen, als seien sie jeden Tag am Berg. Sie sind drahtig, braungebrannt, haben muskulöse Beine – und ihre Laufhosen sind, unabhängig ob Mann oder Frau, weitaus kürzer als meine.

Unlängst bin ich bei einem kleinen Bergrennen in Bayern an den Start gegangen. Mit 650 Höhenmetern, die auf zehn Kilometern bezwungen werden mussten, ist ein solches Rennen für richtige Bergläufer zwar ein Klacks, für Hobbyläuferinnen wie mich ist das aber eine Herausforderung. Eine Herausforderung allerdings, der sich immer mehr Menschen stellen.

Das fällt auch Sportmedizinern auf. "Vielen geht es darum, zurück zur Natur zu kommen", sagt der Sportmediziner Robert Fritz von der Sportordination. Er hat auch noch eine andere Erklärung für den Boom der Berg- und Trailläufe: "Die Menschen wollen raus aus der Vergleichbarkeit."

Kein Vergleich

Wer an einem Zehn-Kilometer-Rennen auf der Straße teilnimmt, wird von anderen Läufern immer sofort nach seiner Finisher-Zeit gefragt – und mit anderen verglichen. Beim Laufen abseits des Asphalts funktioniert das nicht. Hier sind die Bedingungen individueller, weil sie von der Beschaffenheit des Bodens und den zu bezwingenden Höhenmetern abhängen.

Auch Josef Niebauer, Vorstand des Salzburger Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin, beobachtet den Trend: "Klassische Asphaltläufer brauchen irgendwann einmal eine Abwechslung", sagt er.

So wie ich in Bayern, wo endlich der Startschuss fiel. Die Profis zogen gleich davon. Ich versuchte meinen Rhythmus zu finden. Die ersten paar Kilometer ging es nur moderat bergauf. Wir waren auf breiten Wegen und Forststraßen unterwegs. Aber ich kannte die Strecke und wusste, dass es gleich in den Wald hinein und in der steilsten Passage über Stock und Stein bergauf gehen würde.

Gehen statt laufen

Und tatsächlich: Die meisten wechselten die Gangart. Statt laufen war in dieser Bergaufpassage gehen angesagt. "Sogar Profis gehen auf den ganz steilen Stücken", sagt Fritz. Er rät auch Anfängern dazu zu gehen, wenn es zu anstrengend wird – und in den flacheren Passagen dann wieder zu laufen.

Ich habe das auch so gemacht. Nach ein paar hundert Metern des steilen Anstiegs kamen wir auf eine Forststraße. Nun lief ich wieder. Meine Wadenmuskulatur zog mittlerweile ordentlich – sie wird beim Bergauflaufen mehr gefordert als beim Laufen in der Ebene, weil mehr auf dem Vorfuß gelaufen wird.

Auch Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur werden gefordert – und das Herz-Kreislauf-System. Gesunde Menschen müssen laut Sportmediziner Fritz aber keine Angst davor haben, ihre Herzfrequenz ordentlich in die Höhe zu treiben.

Schwieriges Bergablaufen

Ich kam schon nach den ersten Schritten ins Schnaufen. Doch ich lief noch, während andere längst gingen. "500 Meter sind es noch", rief mir eine Frau bei der letzten Verpflegungsstation zu, während sie mir einen Becher Cola reichte. Ich blieb kurz stehen, trank und wusste: Das schaffe ich – auch wenn sich herausstellte, dass der letzte Teil der Strecke über einen engen Weg mit vielen Steinen führte, die den müden Beinen im Weg lagen. Wanderer schauten vom Wegesrand aus belustigt zu.

Als ich den Gipfel vor lauter Bäumen um mich herum noch nicht einmal sehen konnte, hörte ich ihn schon: laute Musik, Klatschen, Gelächter. Das motivierte mich. Eine letzte Steigung lag jetzt noch zwischen mir und der Finisher-Medaille aus Holz, die mich im Ziel erwartete. Einmal noch durchbeißen und die brennenden Wadln ignorieren. Dann war ich oben – und wahnsinnig stolz.

Das Hinunterlaufen blieb mir erspart, weil von oben ein Shuttlebus zurück ins Tal fuhr. "Das Bergablaufen ist für Ungeübte nicht zu unterschätzen", sagt Niebauer. Für das Herz-Kreislauf-System sei das zwar nicht mehr so anstrengend, aber für die Muskulatur. Denn die muss das Körpergewicht abfedern und den Körper abbremsen. Niebauer empfiehlt daher, bergab möglichst kleine Schritte zu machen, um diese Stoßwirkung zu reduzieren: "Den Muskelkater bekommt man nicht vom Bergauf-, sondern vom Bergablaufen."

Kleines Intervalltraining

Das Überwinden von Höhenmetern ist ein guter Trainingsreiz, betonen Experten. Wer keinen Berg in der Nähe hat, der kann auch den einen oder anderen Hügel in seine Laufstrecke einbauen. "Das ist eine abwechslungsreiche Art von Intervalltraining, bei dem man nicht viel nachdenken muss", so Niebauer.

Auch an extremeren Bergläufen, bei denen tausende Höhenmeter überwunden werden müssen, findet Sportmediziner Fritz nichts auszusetzen: "Einem trainierten Körper schadet das nicht", sagt er. Nachsatz: "Aber es wird auch keine gesundheitlichen Vorteile bringen." Für Anfänger gilt allerdings, sich langsam zu steigern. Sonst drohen Überlastungen, beispielsweise an der Achillessehne.

Gute Ausrüstung

Wer seine Liebe zum Laufen in der Natur dauerhaft entdeckt, sollte laut Fritz in Schuhe für den Traillauf investieren, weil sie über ein besseres Profil als herkömmliche Laufschuhe verfügen und die Füße besser schützen. Außerdem empfehlenswert: ein kleiner Rucksack mit einem Energieriegel, etwas zu trinken, dem Handy – und einer dünnen Jacke. "Auch wenn es im Tal unten 26 Grad hat, ist es oben zehn Grad kühler", so Fritz.

Spätestens wenn man ganz oben steht, weiß man, dass es der beschwerliche Anstieg wert war. "Man merkt: Ich bin am Limit – aber ich kann darüber hinausgehen. Grenzen existieren oft nur im Kopf, und ein Blick zurück ins Tal zeigt, was man alles erreichen kann, wenn man nur will", fasst Fritz zusammen, was man beim Berglaufen lernt. Demnächst will ich es wieder probieren. (Franziska Zoidl, 19.8.2018)