"Ich habe als Bürgermeister ein System vorgefunden, das falsch und rechtswidrig war. Als mir das klar wurde, habe ich die Verantwortung übernommen, und das tue ich auch vor dem Richter."

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STANDARD: Sie stehen ab Donnerstag wegen des Vorwurfs der falschen Beurkundung vor dem Strafgericht. Es geht um die Auszählung der Briefwahlstimmen und das Wahlprotokoll bei der Bundespräsidentenwahl 2016 unter Ihrer Leitung als Vorsitzender der Bezirkswahlbehörde. Sie werden sich schuldig bekennen?

Albel: Ja, ich werde mich schuldig bekennen. Ich habe als Bürgermeister ein System vorgefunden, das falsch und rechtswidrig war. Als mir das klar wurde, habe ich die Verantwortung übernommen, und das tue ich auch vor dem Richter. Ein Fehler ist ein Fehler, da gibt es nichts zu beschönigen.

STANDARD: Die gesamte Villacher Wahlbehörde steht vor Gericht, Sie werden auch die "Geistersitzung" erklären müssen. Das ist jene Sitzung, die am Montag nach der Wahl gar nicht stattfand, weil die Briefwahlstimmen schon am Sonntag ausgezählt worden waren.

Albel: Ja, und eine Wahlbeisitzerin hat das erkannt und einen Aktenvermerk erwirkt. Tatsächlich hat der oberste Mitarbeiter unserer Wahlbehörde die Wahlkartenkuverts schon ab Donnerstag aufgeritzt, und auch das war absolut nicht korrekt und ein Vergehen.

STANDARD: Kam es Ihnen nicht komisch vor, dass die Auszählung ohne Mitglieder der Wahlkommission, ohne Zeugen stattfand?

Albel: Doch, und auch, dass wir die Korrektheit der Auszählung bestätigt haben, obwohl gar keine Zeugen dabei waren, war falsch. Was ich aber festhalten will: Ausgezählt wurden die Stimmen korrekt, das hat auch der Verfassungsgerichtshof festgestellt. Die Auszählung ist ausschließlich technisch falsch gelaufen.

STANDARD: Warum haben Sie das falsche Protokoll unterschrieben?

Albel: Wir alle haben es unterschrieben, der oberste Mitarbeiter der Wahlbehörde hatte uns die Auskunft gegeben, dass das immer so gehandhabt worden sei. Ich habe mich darauf verlassen und auch darauf, dass er seine Aufgabe, die er seit Jahrzehnten wahrnahm, richtig macht. Bis dahin gab es nie Unregelmäßigkeiten.

STANDARD: Wann sind Sie auf Ihre Fehler draufgekommen?

Albel: Noch am selben Tag sind erste Medienberichte erschienen, gleich am nächsten Tag habe ich den Mitarbeiter zu mir geholt und ihn befragt, was da geschehen ist. Er hat gemeint, man habe vielleicht eine Stunde zu früh ausgezählt – und da wurde mir klar, dass da offenbar ein Fehler passiert ist.

STANDARD: Es war aber mehr als eine Stunde. In Villach wurde am Sonntag statt Montag ausgezählt.

Albel: Stimmt, es war um einen Tag zu früh. Aber das hat der Mitarbeiter auch vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) noch nicht gesagt, er sprach davon, dass die Auszählung um ein paar Stunden zu früh begonnen habe. Ich habe ab dem ersten Moment und auch vor dem VfGH klargestellt, dass es offensichtlich Fehler gab. Mein Fehler war, dass ich einem System vertraut habe, in dem klare Schlampereien drin waren, und dass ich dieses rechtswidrige System unkritisch übernahm. Dafür übernehme ich Verantwortung.

STANDARD: Warum hat der – auch vor Gericht stehende – Mitarbeiter die Kuverts so früh geöffnet?

Albel: Er wollte Zeit sparen. Auch seine Rolle wird im Verfahren aufgearbeitet, aber die Verantwortung trage ich. Es gehört für mich zum Führungsstil eines Bürgermeisters, Fehler zuzugeben und sich nicht auf andere auszureden.

STANDARD: Wie haben Sie in Villach auf die Fehler reagiert?

Albel: Ich habe sofort den Auftrag für Änderungen erteilt, damit bei der nächsten Wahl alles auf Punkt und Beistrich stimmt. Der Wahlleiter etwa darf nichts mehr allein entscheiden, bekommt eine rechtskundige Person zur Seite gestellt, die alles überprüft. Es gilt das Vieraugenprinzip. Und wir haben das Wahlamt in die neue Abteilung "Bürgerservice" integriert mit Abteilungsleiterin und zwei kundigen Personen, die bei allen Wahlen dabei sein werden.

STANDARD: Sie sind auch für eine Änderung der Wahlordnung?

Albel: Ja, wir sollten das Wahlordnungsgesetz ändern, der Diskussionsprozess ist schon in Gang. Die gesamte Stimmauszählung sollte am Wahlsonntag erfolgen, auch die der Briefwahlkarten.

STANDARD: Sie hoffen auf Diversion, Tatausgleich statt Verurteilung?

Albel: Ja, ich hoffe auf Diversion.

STANDARD: Sollten Sie verurteilt werden: Treten Sie dann zurück?

Albel: Nein. (Renate Graber, 24.7.2018)