Die Frage, ob Österreich ein Bundesmuseum für Fotografie braucht, beschäftigt seit Jahren Politik und Fachwelt. Kulturminister Gernot Blümel und der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (beide ÖVP) denken derzeit intensiv über ein solches Haus mit Standort in Salzburg nach. Experten sind geteilter Meinung.

Foto: Getty Images/iStockphoto

"Der Standard" hat bei den beiden Fabers der Wiener Fotoszene nachgefragt: Der eine, Johannes Faber, ist Galerist und spricht sich für eine klassische Museumsstruktur aus. Die andere, Monika Faber, ist die Doyenne der österreichischen Fotografie-Forschung, und will lieber einen wissenschaftlichen Think-Tank ohne teurer Museumsstruktur. Die beiden Experten sind weder verwandt noch verschwägert. Beim Fotomuseum sind sie grundsätzlich unterschiedlicher Meinung.

JOHANNES FABER

Foto: Johannes Faber

Für

Österreich braucht ein Fotomuseum, das sich mit der Fotografie von ihrer Frühzeit bis zu aktuellen Entwicklungen auseinandersetzt. Dieses Museum muss gemäß den vier Grundpfeilern, die für Museen gelten, geführt werden: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln.

Es kann nicht die primäre Aufgabe eines Fotomuseums sein, wie eine Kunsthalle möglichst alle zeitgenössischen Fotografinnen und Fotografen zu sammeln und zu präsentieren (was in aktuellen Diskussionen aber immer wieder zu hören ist). Auch soll es kein "österreichisches" Fotomuseum sein. Die historischen Grundlagen der Fotografie sind zwar in etlichen Bereichen Österreichern zu verdanken; die Sammlung des Museums muss aber unbedingt international ausgerichtet sein, auf jeden Fall beginnend in der Frühzeit der Fotografie, also ca. ab 1840.

Das Sammeln könnte direkt am Kunstmarkt erfolgen. Im Gegensatz zur bildenden Kunst sind Fotografien auch aus der klassischen Moderne noch immer zu relativ moderaten Preisen am Markt verfügbar. Zusätzlich kann man aus sogar in Österreich vorhandenen Privatsammlungen und natürlich aus bereits in fast allen Bundesmuseen vorhandenen Fotosammlungen Dauerleihgaben für ein Museum requirieren.

Mit Sicherheit lassen sich publikumswirksame Ausstellungen zu den verschiedenen Arbeitsweisen und Stilen oder zu Materialkunde zusammenstellen. Es ist wichtig, die Fotografie in den Kanon der Allgemeinbildung einzubinden. Dann könnte es ähnlich selbstverständlich werden, eine Arbeit Edward Westons von einer Man Rays (oder für Österreich: Heinrich Kühns von einer Trude Fleischmanns) zu unterscheiden, wie es bereits selbstverständlich ist, einen Rubens von einem van Gogh zu unterscheiden.

Um das in Österreich durchzusetzen, braucht es auf jeden Fall ein eigenständiges Fotomuseum und unabdingbar mindestens einen Lehrstuhl für Fotografiegeschichte. Damit würde dieser Teil der Kulturgeschichte endlich auch in Österreich präsenter werden. (Johannes Faber, 25.7.2018)

Johannes Faber (66) ist seit 1983 als Kunsthändler für klassische Moderne und zeitgenössische Fotografie tätig. Seine Galerie ist auf Kunstmessen in aller Welt vertreten.

MONIKA FABER

Foto: Julia Faber

Wider

Ein Fotomuseum als Bundesmuseum? Und noch dazu als Neubau? Es soll ja viele effiziente Methoden der Geldvergeudung geben, aber wozu ein vergoldetes Ghetto schaffen, das vielleicht der Wertsteigerung einer Handvoll "Ikonen" dienen mag? Der Vielfalt des heute wichtigsten Bildmediums kann so etwas niemals entsprechen und nachweislich auch keine enorme Besucherfrequenz erwarten. Auf die vielzitierte Bilderflut im Alltag, aber auch in Wissenschaft und Kunst kann man unterschiedlich reagieren: Als kritisches Alibi ließen sich ein paar "Vintageprints" auf Museumswände abschieben. Und unhinterfragtes Posten, Liken und Downloaden der Bilder aller Art als unvermeidlich akzeptieren.

Stattdessen ließe sich der Versuch wagen, jene Strategien zu thematisieren, die unsere visuelle Welt bestimmen – und zwar dort, wo die Menschen bevorzugt hingehen: in bereits etablierten Kunst-, Naturkunde- oder anderen Museen. Dazu reicht ein kleiner Foto-Thinktank, zusammengesetzt aus einer Handvoll Menschen, die erfahren sind in Fotoanalyse, Mediengeschichte und sozialen Netzwerken.

Gemeinsam mit dem Personal der zahllosen Institutionen, in denen Fotografie heute aufbewahrt wird, und dem dortigen Fachwissen könnte man spannende Ausstellungen konzipieren: Monografische Präsentationen, historische oder zeitgenössische Themen aller Art wären kompetent realisierbar, interdisziplinär oder medienspezifisch, hoffentlich aber attraktiv gestaltet.

Ein cooler Neubau zur Grätzel- oder Fremdenverkehrsbelebung wird nicht gebraucht, ebenso wenig die Schätze der schenkungswilligen (?) Privatsammler. Ein Thinktank mit erfahrener und kreativer Belegschaft ist hingegen leicht realisierbar und kostet nicht so viel. Es wäre kein Ankaufsbudget nötig, der hohe Aufwand für eine museale Struktur (Depot, Ausstellungsräume, Verwaltung, Personal ...) fiele weg. Anstatt des einen neuen Zentralmuseums für Fotografie hätte man abrufbare Fotokompetenz für alle Fotosammlungen in ganz Österreich. (Monika Faber, 25.7.2018)

Monika Faber (64) ist Kunst- und Fotohistorikerin. Sie arbeitete im Mumok und der Albertina, seit 2011 leitet sie das private Fotoforschungsinstitut Bonartes in Wien.