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Im Fokus der FPÖ steht derzeit allein der Umgang von Muslimen und Juden mit fleischliefernden Nutztieren – laut Tierschützern ein höchst einseitiger Fokus auf das Thema Schlachtungen.

Reuters / Dado Ruvic

Wien -Die Diskussion über religiöse und andere Regeln beim Schlachten von Nutztieren sei wichtig, aber sie werde derzeit völlig falsch geführt: So lassen sich die Wortmeldungen von drei Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen zusammenfassen, die DER STANDARD zu den durch die FPÖ in die Kritik geratenen, koscheren oder halal durchgeführten Schlachtungen befragt hat.

"Ich fürchte, die Auseinandersetzung der vergangenen Woche hat viel Porzellan zerschlagen", sagt etwa Madeleine Petrovic, Obfrau des Wiener Tierschutzvereins. Die Ankündigung des niederösterreichischen Tierschutzlandesrats Gottfried Waldhäusl (FPÖ), Käufer von Fleisch geschächteter Tiere, die ohne vorherige Betäubung getötet wurden, zu registrieren, habe unter religiösen Juden und Muslimen "zu einer Bunkerstimmung geführt".

"Schrecklicher" Diskurs

Die am Dienstag erfolgte zwischenzeitliche Unterstützung Waldhäusls durch seinen Parteikollegen, Vizekanzler Heinz-Christian Strache, habe diesen Effekt wohl weiter verstärkt. Der so entstehende Diskurs sei "schrecklich", weil geeignet, antisemitische Ressentiments neu aufleben zu lassen und Muslimenfeindlichkeit zu schüren.

Einer lösungsorientierten Auseinandersetzung mit Vertretern beider Religionen stehe dies diametral entgegen, meint Ex-Grünen-Politikerin Petrovic. Um in der Auseinandersetzung mit strenggläubigen Juden und Muslimen Ergebnisse zu erzielen, die dem in Österreich 2013 zur Staatszielbestimmung avancierten Tierschutz samt entsprechendem "Wertewandel" gerecht würden, brauche es ernsthafte, längerfristige Gespräche – wie sie sie selbst wiederholt geführt habe.

Ausnahmefall im Gesetz

Wichtig dabei ist genaues Abstecken des Gesprächsgegenstands: Bei Schächtungen werden Nutztiere, meist Rinder und Schafe, durch Durchschneiden der Halsschlagader und anschließendes Ausbluten getötet. Das geltende Tierschutzgesetz erlaubt dies in Paragraf 32 in Ausnahmefällen, zu denen auch "zwingende religiöse Gebote oder Verbote" gehören, auch ohne vorherige Betäubung.

Halal oder koscher schlachtende Fleischer nehmen diese Ausnahmebestimmung dem Vernehmen nach großteils nicht in Anspruch. Jene, die es doch tun, wenden das sogenannte Post-Cut-Stunning an, das laut österreichischer Schlachtverordnung vorgeschrieben ist. Dabei müssen die Tiere "unmittelbar" nach dem Schnitt betäubt werden.

Post-Cut-Stunning für Balluch Fortschritt

Laut Martin Balluch, dem Obmann des Vereins gegen Tierfabriken, ist das seit 2013 geltende, einer EU-Richtlinie entsprechende Post-Cut-Stunning "ein Fortschritt". Dennoch leide das auf diese Art getötete Tier sehr, "etwa durch die notwendige Fixierung".

Religion dürfe für derlei "keine Ausrede sein", sagt Balluch – die nunmehrige Diskussion jedoch leiste "nur der Fremdenfeindlichkeit Vorschub".

Folgenlose Anzeigen

Bemerkenswert ist laut dem VGT-Chef zudem der eingeengte Blick der nunmehrigen Schächtungsgegner: "Dass die vorgeschriebene Betäubung von Nutztieren auch bei unreligiösen, sogenannten normalen Schlachtungen sehr oft nicht funktioniert, interessiert sie nicht." Rund 20-mal in den vergangenen Jahren habe der VGT derlei – filmisch festgehaltene – Missstände angezeigt. Verfahren habe es in keinem einzigen Fall gegeben.

Das unterstreicht auch Hanna Zedlacher, Nutztierexpertin des Tierschutzvereins Vier Pfoten. Die in Schlachthöfen zur Betäubung von Schweinen und Rindern verwendeten Bolzenschussgeräte oder Elektrozangen würden vielfach nicht fachgerecht angewendet: "Die Dunkelziffer ist riesig." (Irene Brickner, 25.7.2018)