Zwei Canadair-Maschinen röhren ein ums andere Mal im Tiefflug über den Strand, tauchen ins Meer und füllen ihren Laderaum mit Wasser. Es ist noch nicht durchgestanden. Es brennt immer noch auf dem Kallitechnoupoli, auf diesem Berg in dem gleichnamigen Städtchen östlich von Athen. Erst Mittwochmorgen konnte die Feuerwehr den Großteil der Brände unter Kontrolle bringen.

Unten auf der breiten Autostraße, die von Marathon nach Athen führt – der weltbekannten Laufstrecke – stehen Tanklastzüge mit Wasser. Flammen schlagen hier und da noch aus verkohlten Baumstämmen. Doch der Brand, den die klobigen alten Löschflugzeuge eindämmen, wütet in den Pinienwäldern landeinwärts. Er hat Griechenland die schlimmste Feuerkatastrophe seit Jahrzehnten beschert.

Feuerwehrkräfte konnten bis zum frühen Mittwochmorgen fast alle Brände unter Kontrolle bringen. Lediglich in einer Region rund 70 Kilometer westlich von Athen gab es noch ein Feuer auf einem Berg.
Foto: APA / ANGELOS TZORTZINIS

"Es ging alles so schnell. Niemand hat das erwartet", erzählt Myrto Nikolokopoulou, eine junge Frau. Sie war Montagmittag aus Athen gekommen. Die 20-jährige Griechin jobbt in einem Strandcafé in Souberi, einem Stadtteil von Nea Makri, westlich von Athen. Das Indianos ist normalerweise brechend voll, von mittags bis mitternachts, jeden Tag. Es ist Hochsaison. Doch nun drehen nur die Löschflugzeuge ihre Kreise über den leeren Strand. Myrto war die halbe Nacht wach. Ihre Wohnung liegt nur unweit des Katastrophenorts.

DER STANDARD

Eine Feuerwalze

Am Montag um vier Uhr nachmittags war der Brand auf dem Berg Kallitechnoupoli ausgebrochen. Eine Feuerwalze raste hinunter zum Meer. Sie traf den Ferienort Mati, einen anderen Stadtteil von Nea Makri, der mit dem Auto keine fünf Minuten vom Indianos-Café entfernt ist. Um sechs Uhr, zwei Stunden später, gab es Mati nicht mehr. Mindestens 76 Menschen verbrannten. Die Leichen von ganzen Familien fanden Einsatzkräfte am Dienstagmorgen. Eltern, die ihre Kinder umklammerten. Jugendliche, die sich im Tod aneinander festhielten. Eine Gruppe von 26 Menschen lag auf einem Feld, nur 15 Meter weit vom Wasser. "Sie hatten versucht, eine Fluchtgasse zu finden, aber leider haben es diese Menschen und ihre Kinder nicht mehr rechtzeitig geschafft", sagte Nikos Ekonomopoulos, Leiter des Roten Kreuzes in Griechenland, im Fernsehen.

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Menschen bringen sich am Strand von Mati vor den Waldbränden in Sicherheit.
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Panik brach aus, als die Menschen aus Mati flüchten wollten. Autos verkeilten sich auf dem Weg hoch zur Hauptstraße von Marathon. Viele retteten sich zum Strand, standen in dicken Rauchschwaden im seichten Wasser, bis die griechische Marine kam und Boote von Privatleuten und die Wartenden evakuierte. Rund 700 Menschen konnten auf diese Weise der Feuerhölle entkommen. Es waren meist griechische Urlauber, Pensionisten, viele Kinder.

Montagnacht kämpften die Feuerwehren, hier im Ort Kineta unweit der griechischen Hauptstadt Athen, großteils auf verlorenem Posten.
Foto: imago/ANE Edition

47 Brände zählte die griechische Feuerwehr am Montag im ganzen Land. Mindestens 187 Menschen wurden verletzt. Drei Großfeuer brachen nacheinander außerhalb von Athen aus. Das erste im Westen, 45 Kilometer entfernt von der griechischen Hauptstadt auf dem Weg nach Korinth am Saronischen Golf. Die Hitzewelle der vergangenen Tage mit Temperaturen bis zu 40 Grad und die starken Winde trieben das Feuer rasch über den Ferienort Kineta. Ein anderer großer Brand brach in den Wäldern nordöstlich von Athen um die Stadt Oropos aus. Doch das Feuer an der dicht besiedelten Küste am Petalischen Golf, von den Städten Rafina, Nea Makri bis Marathon, war jenes, das am fürchterlichsten wurde. Für die katastrophenerprobten Einsatzkräfte der griechischen Feuerwehr ist all dies zu viel und zu schnell auf einmal.

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20 Minuten Regen

150 Kinder brachte die griechische Marine am Montagabend von einem Feriencamp ans Ufer unweit vom Indianos-Café. Auch sie entrannen dem Feuersturm in Mati. "Wir hatten Glück", sagt Achilleas Evangeliou, ein junger Fußballtrainer, der ebenfalls im Café arbeitet. "Um 18 Uhr hat es plötzlich geregnet, 20 Minuten lang, und der Wind war weg." Aghia Andreas und Souberi, die beiden nächstgelegenen Feriensiedlungen von Mati, wurden von dem Feuer verschont. Ein Freund schickte Achilleas ein fürchterliches Video aus Mati, verwackelte Bilder von einem Skelett in den Ruinen eines Hauses – die Leiche eines Opfers der Katastrophe, bis auf die Knochen verbrannt.

Die Polizei riegelte am Dienstag Teile von Mati ab. Anwohner und Urlauber wurden in Hotelanlagen in Nea Makri untergebracht. Kaum zwei Kilometer breit ist der Korridor, den sich das Feuer vom Berg bis hinunter zum Meer gebahnt hatte. Die griechische Regierung erklärt drei Tage Staatstrauer. Griechenland gehe durch eine unsagbare Tragödie, erklärte Premierminister Alexis Tsipras in einer Fernsehansprache. Nikos Toskas, Minister für Bürgerschutz, äußerte den Verdacht, dass Brandstiftung eine Ursache für die gleichzeitig ausgebrochenen Großfeuer sein könnte. (Markus Bernath aus Nea Makri, 24.7.2018)