Postkartenidyll der nostalgischen Art: Gasthof Windlegern samt angeschlossener Landwirtschaft hoch über dem Traunsee.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Rindsuppe ist dringend empfohlen: mit einem mächtigen, gebackenen Leberknödel als Einlage, der sich gierig mit der Essenz ansaugt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Julia Grashäftl und David Sitz sind Weinenthusiasten von Beruf. Kennen und lieben gelernt haben sich die beiden Sommeliers in Wolfgang Gröllers Seehotel Traunsee, einem der bezauberndsten Flecken des Salzkammerguts, wo Ausnahmekoch Lukas Nagl seit Jahren eine sehr persönliche (und endlich auch international gefeierte) Hochküche vorlegt. Sie darf sich ganz wesentlich aus jenen Schätzen nähren, die drei Fischer exklusiv für das Hotel aus den Tiefen des Sees holen. Einen so paradiesisch anmutenden Ort verlässt man mutmaßlich nur, wenn es gar nicht anders geht.

Als Julias Tante und Onkel vergangenes Jahr beschlossen, ihren hoch über dem Traunsee gelegenen Almgasthof abzugeben (und die zugehörige Landwirtschaft samt Galloway-Rindern dem Sohn zu überantworten), war der Moment für Grashäftl und Sitz gekommen. Der Windlegern war schon bisher ein mit Herz geführtes Haus mit behäbigen, holzgetäfelten Stuben, sehr anständigen Zimmern und Terrasse samt Blick auf den See. Dank schmaler, aber gut befestigter Zufahrt ist er nicht nur bei Sommerfrischlern beliebt, sondern fungiert seit Jahren auch als Stammwirt für Einheimische. Mit den neuen Betreibern wurde er zu einer Adresse, die auch fortgeschrittene Esser und, vor allem, Trinker auf der Liste haben sollten.

Feine Weinkarte

Die Küche ist mehr als solide, dazu gibt es eine wirklich bemerkenswerte Weinkarte mit etlichen gereiften Flaschen, vor allem aber mit herausragend kulanter Kalkulation. Die Zutaten kommen im Wesentlichen aus der angeschlossenen Landwirtschaft und von befreundeten Jägern, die Weine von heimischen Paradewinzern ebenso wie von deren Pendants an Mosel, Loire, Saône oder Douro. Das ergibt in Summe eine ziemlich unwiderstehliche Kombination aus handfester, hemdsärmeliger Küche einerseits und einer erfrischend vielfältigen, mit Sinn für Finesse zusammengestellten Weinkarte anderseits. Und all das in dieser touristisch so erfolgreichen Gegend, wo immer noch viele Gastronomen überzeugt scheinen, sich bei der Qualität des Gebotenen entspannen zu können.

Rindsuppe ist dringend empfohlen, schließlich weiden die Tiere in Sichtweite, und die Almen strotzen (siehe Bild) nur so vor Kräutern. Dementsprechend kraftvoll und von Wohlgeschmack gesättigt kommt sie zu Tisch, mit einem mächtigen, gebackenen Leberknödel als Einlage, der sich gierig mit der Essenz ansaugt. Kaltes Rindfleisch ist auch eine gute Wahl – mürb, saftig, in langen, dünn geschnittenen Scheiben, dazu reichlich roter Zwiebel und leuchtend grünes Kernöl mit satten Röstaromen.

Doppelte Sättigung

Gulasch vom Junghirsch wird kräftig papriziert, das Fleisch ist zart, Preiselbeeren sorgen für eine herbe, keineswegs zu süße Note. Dazu gibt es, wie's in Oberösterreich zum guten Ton gehört, zwei Sättigungsbeilagen: Salzerdäpfel und Semmelknödel. Grammel- und Hascheeknödel überzeugen mit flaumigem, keineswegs gummigem Erdäpfelteig, der Chenin Blanc "Les Noëls de Montbenault" 2015 von Richard Leroy hat die Säure und Struktur, auch dem dazu servierten Sauerkraut auf Augenhöhe zu begegnen.

Wiener vom Schwein kommt aus der Butterschmalzpfanne, für viele ist das die Idealkombination – hier wird es nachvollziehbar: Die Hülle zart, luftig souffliert und von geradezu kuchiger Buttrigkeit, das Fleisch kraftvoll und saftig, ohne lautes Aroma. Dazu gibt es Reis und Preiselbeeren sowie gemischten Salat – für Wiener exzentrisch, jenseits der Enns Standard.

Und hinterher? Frisch gemachten Blechkuchen, Palatschinken oder doch gleich den Verdauungsspaziergang. Mit einer Nachspeise im Gepäck könnte der schnell einmal sehr steil erscheinen. (Severin Corti, RONDO, 27.7.2018)

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