Barbara Prainsack, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien und Mitglied der Bioethikkommission:

"Ich halte es insgesamt für keine schlechte Entscheidung. Es ist absolut positiv, dass hier die Kennzeichnungspflicht ernstgenommen wird und dass man Staaten und KonsumentInnen relativ viel Autonomie gibt in der Entscheidung. Die Risikoabwägung ist von der Intention her auch gut. Ich sorge mich aber um unintendierte Konsequenzen, die das auf die Machtkonzentration großer Betriebe haben könnte. Wir müssen jetzt überlegen: Welche Standards müssen Produkte, die durch Mutagenese entstehen, erfüllen, um als sicher zu gelten und unter die Ausnahmeregel zu fallen? Und wie können wir sicherstellen, dass auch die kleinen Bauern innovativ sein können, ohne dabei auf Konzerne, die größere Risiken eingehen können, angewiesen zu sein? Denn ich frage mich auch, wie sich die Zuordnung der Mutagenese als Gentechnik auf die Patentierbarkeit auswirken wird. Ich kann mir vorstellen, dass das mittelfristig eine Ausweitung dessen, was als patentierbar betrachtet wird, geben könnte."

Ortrun Mittelsten Scheid, Gruppenleiterin am Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie in Wien:

"Das Urteil ist in mehrfacher Hinsicht sehr bedauerlich. Gezielte Genomveränderungen können die gleichen Mutationen erzeugen wie konventionelle Verfahren, die in der Züchtung angewandt werden, nur um Größenordnungen präziser, schneller, kontrollierbarer und kostengünstiger. Das Urteil bedeutet, dass man auf diese Vorteile verzichten will, weil man die Herstellung eines Produktes für entscheidender als das Produkt hält. Es ignoriert, dass es für klassische Züchtungsprodukte bereits aufwändige Prüfverfahren gibt, die auch für die mit der Gen-Schere erzeugten Sorten völlig ausreichend wären. Das Urteil wird außerdem zu neuen rechtlichen Problemen führen, da zufällig oder gezielt erzeugte Mutationen im Produkt nicht mehr unterscheidbar sind. Nach dem Urteil wären übrigens auch ursprünglich durch Strahlung oder chemische Behandlung entstandene Sorten aus dem Bioladen theoretisch den GVO-Richtlinien unterworfen, werden nur durch ihren zu Recht als sicher geltenden Status davor bewahrt. Deutlicher kann man das Messen mit zweierlei Maß nicht demonstrieren. Mit dem Urteil verlieren wir in der Pflanzenbiologie viele Chancen, molekularbiologisches Wissen ökologisch und ökonomisch nutzbringend einzusetzen und Hürden zu überwinden, an denen bisherige Züchtungsprogramme gescheitert sind und weiter scheitern werden. Die europäische Gesetzgebung beeinflusst nur einen winzigen Teil der globalen Regulation und wird die weltweite Entwicklung der Biotechnologie nicht wesentlich stoppen, allerdings erhebliche Auswirkungen auf die Verfügbarkeit optimierten Saatgutes und die Konkurrenzfähigkeit kleiner und großer Betriebe in Europa haben. Die Ernteausfälle durch die extreme Sommerhitze sind ein Warnsignal, auf Verfahren mit Potential zur Problembewältigung nicht zu verzichten."

Florian Faber, Geschäftsführer der ARGE Gentechnik-frei Österreich:

"Das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass auch die Verfahren der Neuen Gentechnik in Zukunft über das Gentechnikgesetz geregelt werden sollen, ist ein enorm wichtiger und richtiger Schritt in Richtung Stärkung und Absicherung der in Europa immer bedeutender werdenden Gentechnik-freien Produktion. Dies ist ganz eindeutig eine positive Klarstellung – sowohl im Sinne der Konsumenten, als auch im Sinne der Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft, die in den letzten Jahren substanziell in den Aufbau einer kontrolliert Gentechnik-freien Lebensmittelproduktion investiert haben. Mit diesem richtungsweisenden Urteil können sich Konsumenten ebenso wie Hersteller und Vermarkter auch in Zukunft darauf verlassen, dass Produkte mit dem grünen ‚Ohne Gentechnik hergestellt'-Siegel bzw. auch Bio-Produkte während des gesamten Produktionsprozesses nicht mit Gentechnik in Berührung kommen."

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ):

"Ich freue mich sehr, dass die Entscheidung des EuGH die bestehenden Regelungen zur Gentechnikfreiheit in Österreich stärkt. So kann das bekannt hohe Niveau der Gentechnikfreiheit in Österreich auch weiterhin aufrechterhalten werden. Ich hoffe, dass sich auch die anderen europäischen Staaten der strengen österreichischen Rechtslage angleichen".

Josef Glößl, Professor am Institut für Angewandte Genetik und Zellbiologie der Universität für Bodenkultur Wien:

"Ich bin von diesem Urteil sehr enttäuscht, weil ich es in den wesentlichen Punkten nicht für sachlich begründet und nachvollziehbar halte. Es ist zwar richtig, dass GVOs durch die neuen Mutagenese-Methoden produziert werden können, genau so gut wäre es aber möglich, dass nur solche genetische Veränderungen eingeführt werden, die auch durch natürliche Mutation entstehen können. Diese Pflanzensorten wären von konventionell gezüchteten Sorten, die auf Basis natürlicher genetischer Variationen gezüchtet wurden, nicht unterscheidbar und somit auch nicht nachweisbar. Diese Situation wird in dem pauschalisierenden Urteil außer Acht gelassen. Es wurde offenbar jenen Interessensgruppen gefolgt, die die neuen Züchtungsmethoden generell und pauschal als GVOs sehen und somit von den Feldern verbannen wollen. Eine differenzierte Sichtweise wäre der richtige Weg gewesen, so wie es im ursprünglichen Antrag des Generalanwalts an den Europäischen Gerichtshof vorgesehen war."

(dare, trat, APA, 25.7.2018)