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Beim tschechischen Autohersteller Skoda sollen höhere Löhne Arbeiter binden. Im Landesschnitt stagnierten indes die Einkommen.

Foto: CTK / picturedesk / Alexandra Mlejnkova

Die Aufträge sprengen die Kapazitäten bei der tschechischen VW-Tochter Skoda. Der Konzern denkt bereits laut darüber nach, ein drittes Werk zu bauen. Der Plan, 3000 neue Stellen durch eine zusätzliche Schicht und Wochenendarbeit im Werk in Mlada Boleslav zu schaffen, scheiterte jedoch am Widerstand der Gewerkschaft. Für mögliche Bewerber dürfte das kein gröberes Problem darstellen. Wer in Tschechien einen Job will, muss nicht lange suchen. Mit einer Arbeitslosenquote von zuletzt 2,2 Prozent herrscht beim nördlichen Nachbarn de facto Vollbeschäftigung.

Rätsel um Lohnwachstum

Das positive Bild einer robusten Volkswirtschaft hat jedoch einen Makel: Trotz der starken Beschäftigungslage sind die Reallöhne in Tschechien seit 2010 stagniert. Das Land kann durchaus stellvertretend für eine ganze Region herhalten. Seit der Finanz- und Eurokrise geht es in Osteuropa wieder bergauf. Von Estland bis Kroatien, von Ungarn bis Bulgarien wächst die Wirtschaft deutlich stärker als im Rest der EU. Die Arbeitslosigkeit ist in fast allen Ländern seit 2010 gesunken. Aber mit Ausnahme von Bulgarien blieb das Lohnwachstum in der gesamten Region verhalten. Erst in den jüngsten Jahren hat sich das Lohnwachstum etwas beschleunigt, wie eine neue Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) zeigt. Das hat mehrere Gründe.

Eine Antwort auf die Krise in Osteuropa war die Aushöhlung überbetrieblicher Kollektivvertragssysteme, sagt AK-Chefökonom Markus Marterbauer. Der Anteil der Beschäftigten, die einem Kollektivvertrag unterliegen, ist seit 2008 in ganz Osteuropa zurückgegangen. Dabei schwankt der Abdeckungsgrad von 65 Prozent in Slowenien bis 15 Prozent in Polen. Die mangelnde Koordinierung habe laut WIIW-Ökonom Mario Holzner vor allem den negativen Effekt einer "Schluckaufbewegung" in der Lohnentwicklung gehabt: Zwar gingen die Reallöhne über die vergangenen 13 Jahre betrachtet im Wesentlichen mit der Produktivität einher. Aber sie wichen mitunter deutlich nach unten oder oben ab. Phasen stagnierender oder sogar sinkender Löhne führen dazu, dass mehr junge Menschen die Region verlassen. Sie kehren in Zeiten wachsender Einkommen aber nicht spontan in ihre Heimat zurück.

Rapide Überalterung

Die massive Emigration erklärt somit auch, dass trotz niedrigster Arbeitslosigkeit die Löhne nicht stärker angezogen haben. Vor allem die 18- bis 30-jährigen besser Gebildeten versuchen ihr Glück in Westeuropa. Damit ging eine "Überalterung der Gesellschaft im Schnelldurchlauf" einher, wie es in der Studie heißt. Laut Prognosen geht diese Entwicklung weiter. Bis 2045 soll in Ländern wie Tschechien oder Slowenien die arbeitsfähige Bevölkerung um bis zu 18 Prozent schrumpfen, in Bulgarien und Rumänien sogar um ein Drittel.

Die Zukunft der osteuropäischen Gesellschaften ist deshalb nicht zwangsläufig düster, meint Holzner. Die Emigranten schicken auch Geld in ihre Heimat. Einige kehren zu einem späteren Zeitpunkt zurück und haben bereits für die Pension vorgesorgt.

Wachsende Produktivität

Entscheidend ist langfristig, dass die Produktivität wächst. Dazu müssten die Länder vermehrt in Qualifikationsmaßnahmen investieren. Damit die gut ausgebildeten Arbeitskräfte im Land bleiben, müsste die Lohnentwicklung stabiler werden. Hier spielt eine stärkere Koordination zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Vertretern eine Rolle sowie bessere soziale Sicherheitsnetze.

Letztlich gehe es laut WIIW darum, positive Entwicklungen in einigen Branchen auf die gesamte Gesellschaft zu übertragen. Bei Skoda etwa gab es heuer eine saftige Lohnerhöhung von zwölf Prozent. (Leopold Stefan, 27.7.2018)