Archiv-Fotos im Vergleich: Wahlplakat der FPÖ und Aktion der Identitären.

Fotos: apa/grüne steiermark, APA

Man kann als juristischer Experte dem Freispruch der Identitären in Graz vielleicht auch Positives abgewinnen. Man kann aber als Nichtexperte nur schwer verkraften, wie der Richter diesen Freispruch begründete: Die fremden- und islamfeindlichen Parolen seien vielleicht zugespitzt, aber nicht strafbar, die laut Anklage hetzerischen Aktionen der Gruppe im Grunde legitim, denn "Stopp dem Asylwahnsinn" werde ja auch von Regierungsparteien verwendet. Der Anwalt der neun Angeklagten hatte mit seinem Plädoyer auf Freispruch Erfolg gehabt, in dem er betonte, dass er keinen Unterschied sehe zwischen den Parolen der Identitären und den Aussagen des Bundeskanzlers Sebastian Kurz bzw. seines FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache.

Das ist eine Argumentation, die sprachlos macht – weil sie in ihrem Kern kaum zu widerlegen ist. Das "Wording", das die Regierung bei bestimmten Themen, etwa Asyl, Migration, Islam, verwendet, lässt Dämme brechen. Viele Menschen fühlen sich ermutigt, alles zu sagen, was sie sich gerade so denken, was ihnen ihr "Bauchgefühl" sagt. Und was da drinnen rumort, sind selten edle Gefühle.

Die FPÖ treibt diesbezüglich auch Koalitionspartner ÖVP vor sich her. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine schöne Idee oder ein tolldreister "Sager" aufpoppt: Kopftuchverbot im Kindergarten; Juncker war betrunken; Verbot von Schächtungen (kein Schächttourismus!); eine Liste von Personen anlegen, die koscheres Fleisch essen wollen; keine Führerscheinprüfungen auf Türkisch; 150 Euro im Monat sind genug zum Leben.

Bedienen der Anhängerschaft

Bei diesen Themen geht es nicht nur um Ablenkung von anderen, für die Regierung unangenehmen Themen. Die Anhängerschaft der FPÖ soll schnell und effektiv bedient werden.

Denn keines der von der FPÖ angesprochenen Themen ist ein großes Problem: weder die Sache mit der "üppigen" Mindestsicherung noch Schächtungen von Nutztieren durch Angehörige religiöser Minderheiten. Gerade einmal ein Prozent der Führerscheinprüfungen pro Jahr werden in türkischer Sprache abgelegt, und die Zahl der verschleierten Kindergartenkinder in Österreich lässt sich nicht einmal statistisch erheben – so gering ist sie. Aber die kleinere Regierungspartei bauscht auf, übertreibt und agiert so populistisch wie in Oppositionszeiten. Sie schürt nicht nur Ängste vor "Überfremdung" oder "Asylantenflut". Sie spricht niedere Instinkte an: Neid, Missgunst und klammheimliche Freude darüber, dass es anderen schlechter ergehen soll als einem selbst. Strache und seine Getreuen verleihen ihren Anhängern quasi die Lizenz zur Niedertracht.

Dabei gibt es kein Limit nach unten – und alle machen mit. Der Koalitionspartner, der die FPÖ wieder regierungs- und damit salonfähig gemacht hat und jetzt hauptsächlich schweigt. Die SPÖ Wien, die ein Essverbot genau in dieser einen U-Bahn-Linie testen lässt, von der alle wissen, dass sie hauptsächlich von Wienern mit Migrationshintergrund frequentiert wird. Böse Absicht, Diskriminierung? Bestimmt nicht – es wird ja nur ausprobiert, und danach werden "objektive Geruchskriterien" entwickelt. Aber Intoleranz und Aufgeregtheit werden trotzdem gefördert.

Diese Art von Politik färbt auf alle ab, und sie macht nichts besser. Sie findet keine Lösungen, weil sie gar keine sucht. Sie bringt weder das Land noch die Gesellschaft voran. Stattdessen quillt Ekelhaftes aus allen Ecken. (Petra Stuiber, 27.7.2018)