Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

Beim Thema Ehegattenunterhalt gehen meistens die Emotionen hoch. Schon während aufrechter Ehe ist die Aufteilung der Lebenserhaltungskosten und der Hausarbeit ein häufiger Streitpunkt. Nach der Scheidung sehen viele erst recht nicht ein, warum sie ihrem Ex-Partner einen Teil ihres Einkommens abgeben sollen. Allerdings gibt es zu diesem Thema auch einige Mythen und Vorurteile.

Was viele nicht wissen: Ein Unterhaltsanspruch besteht bereits während der Ehe. Das Gesetz sieht vor, dass beide Ehegatten nach ihren Kräften zur Deckung des Lebensaufwands beizutragen haben. Wenn ein Teil den Haushalt führt, leistet er dadurch seinen Beitrag und hat daher einen Anspruch auf Unterhalt. Dieser ist zwar grundsätzlich als Naturalunterhalt zu leisten, auf Verlangen steht aber auch schon bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ein Geldunterhalt zu. Auch nach einer Trennung steht dem schlechter verdienenden Ehegatten Geldunterhalt zu, solange die Ehe noch nicht geschieden ist. Besonders schwerwiegende Eheverfehlungen, etwa ein grundloser Auszug aus der Ehewohnung, eine außereheliche Beziehung oder auch die hartnäckige Verweigerung des Kontaktrechts, können aber zu einem Verlust des Unterhaltsanspruchs führen.

Hartnäckige Gerüchte

Nach der Scheidung sieht es hingegen ganz anders aus. Erstaunlich hartnäckig hält sich das Gerücht, dass der Mann nach der Scheidung jedenfalls Unterhalt bezahlen muss. Das stimmt aber nicht ganz. Abgesehen davon, dass auch die Ehefrau unterhaltspflichtig werden kann, wenn sie mehr verdient als ihr Ex-Mann, gilt in Österreich nämlich das Verschuldensprinzip. Wenn nichts anderes vereinbart ist, hat der schlechter verdienende Partner grundsätzlich nur dann einen Unterhaltsanspruch, wenn die Ehe aus dem alleinigen oder eindeutig überwiegenden Verschulden des anderen Teils geschieden wurde. Wenn der Unterhaltsberechtigte über kein eigenes Einkommen verfügt, bekommt er ein Drittel des Nettoeinkommens seines Ex-Partners. Verdienen beide, so stehen ihm 40 Prozent des Gesamteinkommens abzüglich seines eigenen Einkommens zu. Wenn der Unterhaltspflichtige weitere Sorgepflichten hat, reduzieren sich diese Prozentsätze.

Gemeinsames Verschulden

Bei gleichteiligem Verschulden steht nur ein geringer Billigkeitsunterhalt zu. Das gilt dann, wenn ein Ehegatte keinen – nicht einmal einen unzumutbaren – Job mehr findet und seinen Lebensunterhalt auch nicht aus seinem Vermögen selbst bestreiten kann. Das sind dann zehn bis 15 Prozent des Nettoeinkommens. Ein verschuldensunabhängiger Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn ein Ehepartner aufgrund der Betreuung eines gemeinsamen Kindes keiner Berufstätigkeit nachgehen kann. Das gilt grundsätzlich bis zum fünften Lebensjahr des Kindes. Anspruch auf Unterhalt besteht auch, wenn sich der Partner oder die Partnerin nicht selbst erhalten kann, weil er oder sie sich während der Ehe um Haushalt und Kindererziehung gekümmert hat. Dieser Unterhalt ist aber deutlich niedriger als der Verschuldensunterhalt und kann auch zeitlich beschränkt werden.

Das Verschuldensprinzip führt dazu, dass sich der Partner, der sich um die Kinderbetreuung gekümmert hat und daher beruflich zurückstecken musste, nach der Scheidung oft nur mit einem sehr geringen Unterhaltsbeitrag zufriedengeben muss oder überhaupt mit leeren Händen dasteht. Wenn man nicht mit einem Ehevertrag vorgesorgt hat, gibt es dann oft ein böses Erwachen. Man kann natürlich darüber diskutieren, ob das Verschuldensprinzip noch zeitgemäß und sinnvoll ist. Derzeit ist eine Änderung der Rechtslage aber nicht in Sicht. (Carmen Thornton, 12.8.2018)