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Entwickelte eine genuin europäische "Antwort" auf die US-amerikanischen Meister des verlangsamten Trompetenspiels: Tomasz Stańko.

Foto: Reuters/AGENCJA GAZETA

Der sepiafarbene Ton seines Trompetenspiels stach mühelos aus der Masse der Jazz-"Melancholiker" heraus. Berühmt war Tomasz Stańko als Mitglied des Krzysztof-Komeda-Ensembles geworden. Im sozialistischen Polen wurde Jazz sehr bewusst als subversive Praxis geübt: als europäisches Pendant zum "New Thing" der Free-Bewegung.

Stańkos ebenso kräftiges wie virtuoses Skalenspiel enthielt bereits in den 1960er-Jahren gleichwohl immer dunkel schimmernde Ruhepunkte. Durch den Einsatz solcher Meister wie Stańko, aber auch Michał Urbaniak oder Zbigniew Namysłowski (beide Saxofon) wurde polnischer Jazz zum Synonym für Eigenständigkeit und Widersetzlichkeit.

Komeda, der melancholische Komponist und Pianist, der auch für zahlreiche Filmmusiken verantwortlich zeichnete ("Rosemary's Baby"), kam aus Krakau. Stańko blieb – mit Unterbrechungen – seiner Heimatstadt Warschau treu.

Europäische "Antwort" auf US-amerikanische Meister

Stańko entwickelte eine genuin europäische "Antwort" auf die US-amerikanischen Meister des verlangsamten Trompetenspiels: Miles Davis und Chet Baker. Die gedeckten Farben seiner Intonation, die tief in der Folklore verwurzelt war, kamen auf den Alben des Münchner ECM-Labels besonders eindrucksvoll zur Geltung.

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Zuletzt wechselten sich polnische und internationale Begleitmusiker an seiner Seite ab, erinnert sei an Produktionen wie "Wisława" mit dem kubanischen Pianisten David Virelles. Das gleichnamige Album war eine feinsinnige melancholische Hommage an die Krakauer Meisterlyrikerin und Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska.

In Stańkos tastendem Spiel schienen die Katastrophen der modernen polnischen Geschichte sehr wohl aufgehoben: in brütenden Augenblicken voller Untröstlichkeit. So komponierte er 2005 auch die Musik zur Eröffnung des Museums über den Warschauer Aufstand 1944. Stańko konnte aber auch jederzeit "boppish" spielen und obendrein famos swingen.

Jetzt ist Tomasz Stańko 76-jährig nach langer, schwerer Krankheit in Warschau gestorben. (Ronald Pohl, 30.7.2018)