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PC – nein danke? Dabei zeigt gerade wieder #MeTwo, wie verschwindend gering noch immer die Bereitschaft ist, es besser zu machen.

Foto: Reuters/WOLFGANG RATTAY

Seit einer Woche twittern unter dem Hashtag #MeTwo Menschen ihre Erlebnisse mit Rassismus. Hintergrund ist die Debatte rund um den Rücktritt des Fußballstars Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft, im Zuge derer der Autor Ali Can Menschen mit Migrationshintergrund bat, unter #MeTwo zu twittern, was sie sich so alles anhören müssen.

Die nachlesbare Palette reicht von paternalistischen Sagern über die ach so erstaunlichen Sprachlernfähigkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund und Lob dafür, nicht so wie ihre "Landsleute" zu sein, ja schon fast wie ÖsterreicherInnen oder Deutsche, bis hin zu massiven rassistischen Attacken.

Egal, ob es wohlwollend interpretiert einfach Ignoranz von Menschen ist, deren Eltern und sie selbst immer dort leben konnten, wo sie geboren wurden, und die nie durch eine Art Zusatzradar mussten, der ihnen mehr als den "Hiesigen" abverlangte, um akzeptiert zu werden, oder ob eine handfeste rassistische Ideologie die Basis für derlei Aussagen ist – Fakt ist: Rassismus ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Auf der Straße, im Beruf, in der Arztpraxis, auf dem Amt und – wie sich via #MeTwo deutlich zeigt – sehr oft auch in Bildungseinrichtungen.

Angesichts dieser zahllosen Berichte wirkt es wieder mal besonders seltsam bis skurril, wie oft AutorInnen, KolumnistInnen oder PhilosophInnen in immer kürzeren Abständen prominent Raum mit der These einnehmen, wir würden in einer Zeit der Sprachverbote leben. Dabei existiert dieses Phänomen höchsten in einer Blase, die sehr klein und sehr privilegiert ist. Dort begegnen uns durchaus Vorschläge für einen anderen Umgang mit Sprache, der manche offenkundig nervt und immer wieder gern als "Tugendterror" tituliert wird. Wie weit entfernt diese Wahrnehmung von der Realität ist, zeigt ein Blick auf #MeTwo.

Vor ein paar Wochen erst schrieb zum Beispiel die deutsche Schriftstellerin Tina Uebel in der "Zeit" von "Dramen im Lektorat", wenn sie etwa einen "politisch unkorrekten" Dialog über rumänische Kindermädchen mit einem Kollegen in ihre Reisereportage einflechten wolle oder dass der Titel "Heute gehen wir Wale fangen" einer Publikation über Inuit-Kulturen den "Hass" von Lesern provoziert habe. Und im Zuge eines Plädoyers für die weitere Verwendung des N-Worts schreibt sie: "Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten" und fragt weiter, wie wir Rassismus diagnostizieren sollen, wenn nicht "Kontext und Intention", sondern die "schlichte Abfolge von Vokalen und Konsonanten" die Bedeutung eines Wortes bestimmen.

Keine ExpertInnen

#MeTwo macht den Irrtum deutlich: Rassistische Begriffe und diskriminierendes und verletzendes Reden sind eben nicht die Sprache der Vergangenheit, sie sind omnipräsenter Teil der Gegenwart. Und das Urteil, in welchem Kontext ein rassistisches Wort verletzend ist, sollten nicht jene fällen, die noch nie von rassistischer Diskriminierung betroffen waren – wir sind nun wirklich keine ExpertInnen auf dem Gebiet. Denn mit "Dramen im Lektorat" oder ein paar fiesen Mails wegen zu wenig Bedacht beim Umgang mit Sprache ist das nicht vergleichbar. Der vermeintliche PC-Terror ist nichts gegen die weit verbreitete Lust am rassistischen Gepolter. (Beate Hausbichler, 2.8.2018)