Waffendrill am Maschinengewehr: Nur wer Inländer, psychisch und körperlich fit ist – und sich nicht zum Zivildienst gemeldet hat –, darf an die Waffe.

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Wien – Die Zahl der jungen Männer, die für den Wehr- oder Zivildienst tauglich sind, hat im Verlauf der letzten zehn Jahre drastisch abgenommen. Hauptursache ist der Geburtenrückgang in den 1990er-Jahren – und in den geburtenschwächeren Jahrgängen ist der Anteil der Tauglichen auch noch deutlich zurückgegangen. Von 2004 bis 2017 stieg der Anteil der Untauglichen an der stellungspflichtigen männlichen Bevölkerung von 17 auf über 26 Prozent.

Es gibt weniger Grundwehr- und Zivildiener. Zum einen sind die geburtenschwachen Jahrgänge, die zur Musterung müssen, Schuld daran. Auch die steigende Zahl an Untauglichen ist mitverantwortlich.
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Den Zivildienstorganisationen geht es allerdings kaum besser als der Landesverteidigung: Zwar ist der Anteil der Zivildiener an den Tauglichen tendenziell gestiegen – wegen der geburtenschwächeren Jahrgänge und des höheren Anteils an Untauglichen geht auch die Zahl der Zivildiener zurück. Und: Wer nicht voll für den Wehrdienst tauglich ist – etwa weil er nur geringe Gewichte heben darf –, darf beim Zivildienst auch nur für entsprechend leichte Tätigkeiten eingesetzt werden.

Systemerhalter eingespart

Es gab Zeiten, da konnte das Bundesheer quasi aus dem Vollen schöpfen: Als die Babyboomer stellungspflichtig wurden, gab es viele junge Männer, die fast alle die österreichische Staatsbürgerschaft hatten und für die der Wehrdienst verpflichtend war – um zum 1975 eingeführten Zivildienst zugelassen zu werden, musste man sich bis 1991 einer kommissionellen Gewissensprüfung stellen. Das Bundesheer hatte so mehr als genug Rekruten, von denen dann viele in langweiligen Systemerhalterfunktionen gelandet sind.

Aber diese Zeiten sind lange vorbei, immer weniger junge Männer stehen für den Dienst mit der Waffe bereit.

Veränderte Bevölkerungsstruktur

Der wesentlichste Effekt liegt darin, dass die Bevölkerung heute ganz anders strukturiert ist als noch vor einer Generation: Früher galt die Faustregel, dass ein Geburtenjahrgang in Österreich zwischen 100.000 und 110.000 Personen umfasst, von denen die Hälfte männlich und damit stellungspflichtig ist. Inzwischen ist die Zahl der Männer eines Jahrgangs stark rückläufig: Zum 1. Jänner 2018 lebten in Österreich 47.031 Männer mit 18 Jahren – und die nächstfolgenden Jahrgänge sind jeweils nur zwischen 42.000 und 46.000 Burschen stark. Dazu kommt, dass viele dieser potenziellen Soldaten gar nicht die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen und damit gar nicht stellungspflichtig sind.

Die Tabelle zeigt: Im Jahr 2008 waren noch 47.811 Männer des Geburtsjahrgangs 1990 verpflichtet, sich auf ihre militärische Verwendbarkeit untersuchen zu lassen. Im Vorjahr war der Geburtsjahrgang 1999 dran – mit nur noch 38.840 Stellungspflichtigen. Heuer werden es ungefähr gleich viele sein.

Ein weiterer Blick auf die Daten des Verteidigungsministeriums zeigt, dass von den Stellungspflichtigen bei weitem nicht alle tauglich sind.

Auch hier ist ein stark negativer Trend zu beobachten: Vom Geburtsjahrgang 1986 (Stellung 2004) waren 7.825 junge Männer untauglich, das waren 17 Prozent. Vom viel kleineren Jahrgang 1996 waren dagegen bereits 10.709 Männer untauglich (24,2 Prozent). Und im Vorjahr stieg der Anteil der Untauglichen auf 26,3 Prozent.

Alternative Zivildienst

Dazu kommt, dass der Wehrersatzdienst für bis zu 45,4 Prozent eines Jahrgangs eine willkommene Alternative darstellt – dass die Prozentzahl im Stellungsjahrgang 2017 mit 36,5 Prozent scheinbar auf dem relativ niedrigen Niveau des vorigen Jahrzehnts liegt, kann die Planer des Bundesheeres wenig trösten: Sie wissen ebenso wie die jungen Wehrpflichtigen, dass man es sich sechs Monate nach der Tauglichkeitsfeststellung noch und bis zwei Tage vor der Zustellung des Einberufungsbefehls überlegen kann, doch noch eine Zivildiensterklärung abzugeben.

Voraussichtlich werden also noch etliche eigentlich Wehrpflichtige vor Antritt des Grundwehrdienstes in den Zivildienst wechseln.

Psychische Störungen

Besondere Sorgen macht aber die abnehmende Tauglichkeit: Häufigster Grund dafür ist, dass junge Männer nicht die psychischen Voraussetzungen mitbringen oder Verhaltensstörungen zeigen – das trifft auf rund 30 Prozent der 10.204 Untauglichen (also gut 3.000 Personen) zu.

Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes sind für 18 Prozent der Fälle von Untauglichkeit verantwortlich. Als Hauptursache gelten Haltungsfehler – etwa weil die Buben in der Kindheit keine kindgerechten Schultaschen getragen haben. Jeder elfte Untaugliche ist wegen früherer Verletzungen oder Vergiftungen ungeeignet, und jeweils acht Prozent haben Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (sprich: Über- oder seltener Untergewicht) sowie Augenleiden.

Die Untauglichkeit hat auch Auswirkungen auf den Zivildienst: Wer untauglich ist, kann auch diesen nicht leisten. (Conrad Seidl, 3.8.2018)