Die Nutzpflanzen, die heute auf Österreichs Äckern wachsen, werden aber auch in den nächsten hundert Jahren nicht verschwinden.

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Es ist nicht mehr ganz Stadt, aber auch noch nicht Land: In Wien-Simmering, ein paar Straßenzüge vom Zentralfriedhof entfernt, wird auf Feldern und in Glashäusern tonnenweise Gemüse angebaut: Salat, Tomaten, Gurken, Zucchini, Feigen. Feigen? Tatsächlich.

Vor zwölf Jahren haben die Gartenarchitektin Ursula Kujal und der Gärtner Garald Thiesz ein Experiment gewagt: Im kontinentalen Klima von Wien eine Frucht anzubauen, die eigentlich in wärmeren Gefilden wächst: "Wir haben damals nicht gewusst, was auf uns zukommt", sagt Kujal über die Anfänge mit dieser für heimische Verhältnisse exotisch anmutenden Frucht. "Es war völlig verrückt, jeder hat uns ausgelacht."

Angesichts der Hitze, die in den vergangenen Wochen in Österreich geherrscht hat, ist wohl so einigen Kritikern das Lachen vergangen. Nicht nur die heimische Bevölkerung, auch Österreichs Landwirtschaft muss sich künftig auf wärmere Temperaturen einstellen. Lange Dürreperioden und Starkregenfälle stellen die österreichische Flora vor ganz neue Herausforderungen.

Wer dieser Tage also schwitzend durch Simmering fährt, wird sich nicht darüber wundern, dass hier Feigen wachsen. Man würde auch Kokospalmen erwarten. Aber die Herausforderung für die Biobauern ist nicht der Sommer, sondern der Winter. Schließlich geht es weniger um Durchschnittswerte als um die Temperaturspitzen.

Wohl würden die winterharten Feigensorten einiges an Minustemperaturen aushalten. "Aber nicht drei Wochen lang, dann wird es kritisch", schränkt Thiesz ein. Die zwei Landwirte mussten sich daher in den vergangenen zwölf Jahren erst Schritt für Schritt das Know-how im Umgang mit den Feigenbäumen im heimischen Klima aneignen, deren Früchte in der Erntesaison frisch ab Hof, darüber hinaus auch verarbeitet feilgeboten werden.

Die Simmeringer Feigen sind bei weitem nicht die einzigen Exoten auf heimischen Böden: Auch Reis, Wasabi, Melonen, Zitrusfrüchte oder Kiwis werden bereits angebaut. Diese Pflanzen dürften sich künftig noch wohler fühlen: Schließlich hat die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung durch den Ausstoß an Treibhausgasen global um etwa ein Grad zugelegt. Österreich ist noch stärker betroffen.

Ungewöhnliche Bedingungen

Bereits jetzt hat der Klimawandel seine Spuren in der heimischen Landwirtschaft hinterlassen. Während der Süden und der Osten Österreichs seit Wochen mit Hitze und Starkregen kämpfen, setzt die extreme Trockenheit der Vorarlberger Landwirtschaft massiv zu: Bei Heu kam es zu Ernteeinbußen bis hin zum Totalausfall, Gemüsebauern fürchten kleinere Äpfel und Erdäpfel. Solche Bedingungen habe man noch nie erlebt, heißt es aus der Landwirtschaftskammer Vorarlberg.

Laut Hans-Peter Kaul, dem Leiter der Abteilung für Nutzpflanzen wissenschaften der Universität für Bodenkultur, wird sich die Landwirtschaft aber genau auf diese Bedingungen einstellen müssen.

2018 ist für ihn bisher ein "Prototyp-Jahr", das einen Vorgeschmack auf die klimatische Zukunft gibt: Es wurde früh im Jahr warm, darauf folgten Hitzewochen im Sommer. Dazwischen kam es immer wieder zu Starkregenniederschlägen. Das Wasser ist aufgrund der hohen Temperaturen aber meist verdunstet, ohne in den Boden einzudringen.

Niederschlagsdefizit und Starkregenereignisse

Anfang Juli zog die Hagelversicherung über das heurige Frühjahr, das wärmste seit Beginn der Messgeschichte in Österreich, eine kostspielige Bilanz: Während der Norden des Landes unter Trockenheit mit einem Niederschlagsdefizit von bis zu 80 Prozent zu kämpfen hatte, sorgten Unwetter und sintflutartige Starkregenereignisse im Süden und Osten für Ernteausfälle.

Die Schäden durch Dürre beziffert die Hagelversicherung mit 80 Millionen Euro, Hagel und Überschwemmungen kosteten die Landwirtschaft 25 Millionen. Dazu kommen weitere fünf Millionen Euro, die von Schädlingen wie dem Rübenrüsselkäfer vertilgt wurden.

Allerdings stehen diesen Wetterkapriolen, die für die Versicherung zunehmend die Normalität darstellen, erfreuliche Entwicklungen gegenüber. Die steigenden Temperaturen verlängern die jährliche Vegetationsperiode derart, dass Kaul zufolge "Zweifruchtsysteme" möglich werden, also zwei Ernten pro Jahr.

Dabei werden bereits im Herbst Winterungen traditioneller Sommerkulturen gesät, welche die Feuchte der kalten Jahreszeit nutzen und mit dem Wachstum früh fertig sind. Nach dem Anbau von Winterbraugerste oder -erbsen können darauffolgend Mais oder Sojabohnen gesät werden.

Soja im Vormarsch

Soja befinde sich als wärmeliebende Pflanze bereits jetzt stark im Vormarsch, ergänzt Kaul. Vor 15 Jahren sei die Hülsenfrucht in Österreich auf rund 10.000 Hektar angebaut worden, heute seien es bereits 67.600 Hektar. Kaul rechnet damit, dass bald die Marke von 100.000 Hektar erreicht wird. "Dann wäre es nach Weizen und Mais die am drittstärksten verbreitete ackerbauliche Nutzpflanze in Österreich", sagt der Professor.

Vom Klimawandel grundsätzlich begünstigt sind sogenannte C4-Pflanzen, die eine etwas andere Art der Fotosynthese nutzen als die hierzulande weitverbreiteten C3-Pflanzen – und besser mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen. Das Problem: Es gibt nur wenige C4-Nutzpfanzen wie etwa Mais, Hirse oder auch Amarant.

Bananenrepublik?

Wird Österreich im Zuge des Klimawandels in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts also zur Bananenrepublik? Keineswegs, sagt Wissenschaftler Kaul. Denn etliche Exoten wie Bananen kommen mit Winterfrost nicht zurande, andere, wie Feigen, werden weiterhin Raritäten bleiben. Auch der Anbau von Süßkartoffeln oder Kichererbsen sollte grundsätzlich möglich sein.

"Es wird interessante Nischen für spezialisierte Betriebe geben, die davon gut leben können", erklärt Kaul, "aber das ist nichts für die breite Landwirtschaft." Nur einem Neuling räumt er auf heimischen Böden größeres Potenzial ein: "Reis wird zunehmend ein Thema, das könnte mehr werden."

Dennoch: So richtig tropisch wird es in Österreich in den kommenden Jahrzehnten nicht werden. Christoph Matulla von der Forschungsgruppe Klimafolgen des ZAMG, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, geht davon aus, dass in Österreich aufgrund seiner kontinentalen Lage in hundert Jahren in etwa ein Klima wie im nördlichen Balkan herrschen könnte.

Für hierzulande noch häufig angebaute Pflanzen wie Kartoffeln könnte es künftig problematischer werden. Diese vertragen Hitze nicht gut und stellen das Knollenwachstum ein. "Zu heiß darf es für Erdäpfel nicht werden", erklärt Kaul.

Aber nicht nur Pflanzen gedeihen bei warmen Wetter oft besser, sondern auch deren Feinde: Schädlinge wie der Borkenkäfer könnten sich künftig nicht nur schneller entwickeln, innerhalb einer Ernteperiode können auch mehrere Generationen entstehen. Auch der längere Vegetationszyklus birgt Herausforderungen: Pflanzen entwickeln sich bereits früh im Jahr, wenn die Nächte noch lang – und mitunter frostig – sind.

Neue Sorten werden angebaut

Insgesamt dürften Nutzpflanzen, die heute auf Österreichs Äckern wachsen, aber auch in den nächsten hundert Jahren nicht verschwinden. Landwirte müssen sich vielmehr auf andere Sorten spezialisieren, die resistenter gegenüber Hitze und Trockenheit sind.

Schwieriger wird es für Bauern, die mehrjährige Pflanzen, wie zum Beispiel Wein, anbauen. Sie können nicht so schnell zu anderen Sorten wechseln. In Österreich könnte sich das Weinsortenspektrum in den kommenden Jahrzehnten deshalb verschieben. Dabei spielen aber auch Konsumentenwünsche eine große Rolle. Für Winzer gibt das heurige "Prototyp-Jahr" jedenfalls einen Vorgeschmack auf die Zukunft: Die Weinernte beginnt heuer – so früh wie nie zuvor – bereits Ende August.

Verschärfung in Italien und Spanien

"Im Grunde ist das in Bezug auf die Vegetationsperiode nicht so schlecht für die Landwirtschaft", fasst Matulla zusammen. Zumindest in Österreich, denn südlich der Alpen stellt sich die Entwicklung anders dar. In ohnedies schon von Hitze und Trockenheit geplagten Ländern wie Spanien und Italien wird sich die Lage weiter verschärfen – mit entsprechend negativen Folgen für die dortige Landwirtschaft.

Regional gibt es allerdings große Unterschiede, erklärt Klimaexperte Matulla. Beim europäischen Alpenraum – und damit auch Österreich – handelt es sich dem Klimatologen zufolge um eine sensible Region, in der die Temperaturzunahme bis jetzt bereits zwei Grad betrage.

Während früher Schnee und Eis auf Gletschern die Sonnenenergie zurückreflektiert haben, absorbiert der dort freigegebene Boden nun die Hitze – und es wird wärmer. "Das ist eine massive Veränderung in kurzer Zeit, wie wir sie bisher noch nicht erlebt haben", sagt Matulla.

Granatäpfel und Kakis

Bereits angestoßene Prozesse sorgen dafür, dass sich die Entwicklung bis auf weiteres fortschreiben wird – unabhängig davon, wie die Menschheit mit dieser Herausforderung umgeht. "Bis 2050 ist der Zug abgefahren", erklärt Matulla.

Erst dann bewegen sich die Kurven der von zwei verschiedenen Entwicklungspfaden angetriebenen Klimamodelle – eines für Weitermachen wie bisher und das andere für eine klimafreundliche Politik – langsam auseinander (siehe Grafik). Die schlechte Nachricht: "Alle aktuellen Klimaszenarien erfüllen das Klimaziel nicht, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen."

Diese düsteren Prognosen haben am Wiener Feigenhof keine große Rolle gespielt, vielmehr wollten die Pächter Kujal und Thiesz einfach etwas anderes versuchen. Daher werden in ihrem Betrieb heute auch Granatäpfel und Kakis angebaut.

"Wir sind ein Aushängeschild geworden, weil es hier irgendwie anders ist", sagt Gartenarchitektin Kujal. Aber nicht nur. Neben den Exoten sprießt auch am Feigenhof ganz normales Biogemüse aus der Simmeringer Erde. (Alexander Hahn, Nora Laufer, 4.8.2018)