Hitze ist in der westlichen Kultur mit Angst, Gewalt und Tristesse verbunden.

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Der Begriff der "Hundstage" wurzelt in einer Zeit, in der mystisch gesonnene Sterngucker nächtens ihre Apparaturen gen Himmel richteten, um uns ahnungslosen Hascherln ein bisschen die Welt zu erklären.

Das Sternbild "Großer Hund" plagte schon die alten Ägypter mit Nil-Überschwemmungen, und die antiken Griechen bastelten sich angesichts der selbst bei Sandalenhelden gefürchteten Konstellation einen netten Mythos: Das Sonnenlicht des Gottes Helios verschmelze während der Hundstage mit dem Feuer des Sternes Sirius.

Das stimmt so natürlich nicht, aber die abendländische Kulturgeschichte hielt damit einen weiteren Strang bereit, an dem sich nachfolgende Generationen von Künstlern in ihren Werken entlanghanteln konnten.

Der Topos der "Hitze" – also jener übermäßigen Wärme, die zumindest im globalen Norden nicht mehr als angenehm, sondern als plagend empfunden wird – taucht in den westlichen Kunsterzeugnissen überall dort auf, wo das menschliche Vernunftdenken auf die Probe gestellt wird. Als Stilmittel sind Hitze, Schweiß und Kreislaufprobleme oft mit Angst- und Gewaltsituationen verbunden. Aber auch mit bedrückender Tristesse.

Menschliche Dauerüberhitzung

Kaum jemand hat das in einem Kunstwerk je so auf den Punkt gebracht wie der Filmemacher Ulrich Seidl. Hundstage (2000) erzählt von frustrierten Wiener Vorstadtbewohnern, die angesichts des Temperaturhochs jeder Vernunftanstrengung entsagen, um ihren schlimmsten Trieben nachzugeben. Wer will, kann auch Francis Ford Coppolas Antikriegsepos Apocalypse Now als Anklage gegen menschliche Dauerüberhitzung sehen.

Gleißendes Sonnenlicht sowie schweißbedingte Sichteinschränkung sind selbst in einem der berühmtesten Mordfälle der Literaturgeschichte ein Faktor: Der Franzose Meursault erschießt seinen algerischen Widersacher in Camus' Der Fremde in einem vielinterpretierten Hitze-Blackout.

Vor dem globalen Blackout warnt aktuell etwa der Kulturhistoriker und Schriftsteller Philipp Blom. Mit seiner Geschichte der Kleinen Eiszeit von 1570 bis 1700 legte er unlängst ein Werk vor, in dem er die gesellschaftlichen Umbrüche des damaligen Klimawandels mit dem heutigen kurzschließt. Sein Fazit: "Auch die Mächtigsten werden nicht überleben, wenn sie in Zeiten des Strukturwandels an ihren alten Strukturen festhalten." Die Hitze – sie bleibt die Achillesferse westlichen Vernunftdenkens. (Stefan Weiss, 3.8.2018)