Jedes Jahr Ende Juli sind die Trailrunner in der Region Zell am See/Kaprun los. Genau dann, wenn der Großglockner Ultratrail mit seinen gigantischen Zahlen wie 110 Kilometer und 6500 Höhenmeter im Aufstieg zu dem Trailrunning-Event Österreichs einlädt und die Elite des Trailrunning-Sports an die Startlinie pilgert. Aber man kann sich auch an die kleineren Varianten wagen: Etwa an den 50 Kilometer langen Kalser Tauern Trail, der von Kals an der Rudolfshütte vorbei nach Kaprun führt. Eins bleibt immer gleich: Die Faszination des höchsten Bergs Österreich, die Kraft und Motivation, auch weit jenseits der eigenen Grenzen, gibt. 

Start eines langen Tages beim Großglockner Ultratrail

Es ist ein aufregendes und mulmiges Gefühl, als ich an der Startlinie in Kals für meine ganz persönlichen 50 Kilometer durch das Glockner-Gebiet stehe. 2000 Höhenmeter stehen mir bevor – und eine Hitzewelle an diesem Samstag. Aber ich bin gut vorbereitet und weiß wo meine Grenzen liegen, auch wenn es mich immer wieder reizt, genau diese zu verschieben. Der Startschuss bringt uns um sieben Uhr in der Früh auf die Strecke. Noch ist es angenehm kühl, als wir die ersten Kilometer zum Kalser Tauernhaus laufen, denn noch lässt sich die laufende Bewegung aufrechthalten. Landschaftlich kann ich alles um mich herum genießen – die Klamm, die Almen und der vor mir liegende lange Anstieg hinauf auf die Kalser Tauern. Das Gelände ist nicht immer einfach, nicht immer laufbar, aber faszinierend. Der steile Anstieg macht nun aber bereits einigen zu schaffen, denn nun heizt die Sonne und erschwert das Lauferlebnis. Nach einem grasigen Abschnitt kommen auf den letzten Metern des ersten Zwischenziels auch die Hände im leichten Blockgelände zum Einsatz . Oben angekommen atme ich tief durch, viel Zeit für eine Pause bleibt nicht, denn auf der Rudolfshütte wartet die erste Verpflegungsstelle auf mich. 

Das lange Tal hinauf zu den Kalser Tauern.
Foto: Sabrina Schulze
Ganz klein rechts vom Stausee steht die Rudolfshütte.
Foto: Sabrina Schulze

Wenn der Kopf den Ton angibt, aber die Beine nicht mehr wollen

Ich kann mich auf der Rudolfshütte erfrischen und fülle die Energiereserven wieder auf. Bereits 21 Kilometer liegen hinter mir – und die ersten anstrengenden Höhenmeter. Aber ich nehme motiviert den Abstieg hinunter zum Weißsee-Staudamm in Angriff. Das Blockgelände fordert im Abstieg meine gesamte Konzentration – das türkisblaue Wasser des Stausees bekommt nur einen Bruchteil meiner Bewunderung. Obwohl ein Sprung ins kalte Nass jetzt für mich unbezahlbar wäre, denn ich fühle mich langsam deutlich schwächer. Nach einem kurzen Stück im Flachen, wechsle ich jetzt wieder auf Gehen um. Der Anstieg auf das Kapruner Törl fordert noch einmal jegliche Kraft. Nicht nur die Umgebung raubt mir den Atem auf den ansteigenden 600 Höhenmetern, die auch technisches Können voraussetzen. Selbst auf 2600 Meter hat es heute gefühlt 30 Grad. Die Beine werden schwerer und die Leichtfüßigkeit verschwindet. Ich werde immer schwächer, dennoch bin ich motiviert, aber die ersten Gebrechen meines Körpers muss ich mir einfach eingestehen.

Kurz unterhalb des Kapruner Törl sind zumindest die Aufstiegshöhenmeter alle geschafft.
Foto: Christian Wurzer

Der lange Weg ins Ziel in Kaprun

Ich bin jetzt exakt fünf Stunden unterwegs und habe nur noch den langen Abstieg zurück nach Kaprun vor mir. Ich freue mich auf den nun vor mir liegenden Abschnitt. Ich bin in diesen fünf Stunden schon viele verschiedene Emotionen durchlaufen und gerade fühle ich mich richtig stark. Daher komme ich auf meinem Weg zum Mooserboden richtig flott voran – trotz Blockgelände und Altschnee-Feldern. Ich lasse es einfach laufen und merke nicht einmal, als ich die 30 Kilometer voll habe.

Runter vom Kapruner Törl – ab jetzt dann nur noch bergab.
Foto: Christian Wurzer
Unter mir liegt der Stausee Mooserboden – es ist noch immer ein weiter Weg.
Foto: Sabrina Schulze

Landschaftliche Highlights, die für vieles entschädigen

Der Mooserboden ist landschaftlich ein echtes Highlight und das erste Mal für den heutigen Tag treffe ich wieder auf Wanderer und Touristen. Bisher waren wir Trailrunner unter uns. Eine letzte große Verpflegungsstation wartet hier auf uns und ich versorge mich dankend mit Wasser, Cola und Kuchen. Ein Schild kündigt an, dass es ab hier noch einmal weitere 17 Kilometer sind, die mir zu den 50 Kilometer und der Ziellinie fehlen.

Nur nicht stehen bleiben – auf geht´s zu den letzten 17 Kilometern des Tages.
Foto: Sportograf
Das Glücksgefühl im Ziel ist trotz aller Strapazen unbezahlbar.
Foto: Sportograf

Eigentlich ist es nur noch heiß

Ich trödel nicht lange und laufe weiter. Auch die Hitze wird es nicht mehr besser machen heute. Der Trail bringt mich über schöne Steige oberhalb des unteren Kapruner Stausees runter zum Kesselfallhaus. Und damit ein ganzes Stück zurück in die Zivilisation und den Trubel einer touristischen Region. Es sind zähe Kilometer für mich, die Hitze steckt hier unten fest und drückt auf einen ein. Immer wieder muss ich gehen und immer wieder wünsche ich mir, dass es gleich vorbei ist. Und als ich meinen Fuß über die Ziellinie setze, überfällt mich nur ein Gefühl: Stolz. Jegliches Leiden der vergangenen knapp neun Stunden ist fast vergessen, nur noch verschwommen da. In den Vordergrund schiebt sich durchgehend positive Emotion über das Geleistete. 

Natürlich kann man sich die Frage stellen, warum man sich solchen Events und Herausforderungen stellt – für mich ist es einfach mein Weg mich vollkommen auszupowern und neue Kraft zu tanken. So absurd das auch klingen mag. Beim Großglockner Ultratrail bin ich bereits zum dritten Mal dabei gewesen und vielleicht, ja ganz vielleicht traue ich mich irgendwann an die volle Distanz. (Sabrina Schulze, Christian Wurzer, 9.8.2018)

Weitere Geschichten rund ums Trailrunning gibt es unter wusaonthemountain.at.

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