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Plötzlich machen Ivanka Trump und ihr Ehemann Jared Kushner in Washington wieder von sich reden – vielleicht, weil wieder Wahlkampfzeit ist.

Foto: AP / Alex Brandon

Was sie zu den Kindern sage, die über die Grenze aus Mexiko kamen und dann von ihren Eltern getrennt wurden? Ivanka Trump sitzt in einem schwarzen Ledersessel im Newseum, dem Medienmuseum Washingtons, und lässt die schockierenden Szenen Revue passieren, die sich am Rio Grande abgespielt haben. "War es der Tiefpunkt?", fragt Mike Allen, Chef des Nachrichtenportals "Axios". "Ja, ein Tiefpunkt", antwortet die Lieblingstochter des US-Präsidenten, der das Auseinanderreißen illegal eingewanderter Migrantenfamilien zu verantworten hat. "Ich habe da sehr starke Gefühle. Ich bin vehement gegen die Trennung von Eltern und Kindern."

Die Worte sorgen für Schlagzeilen – genauso wie die im Grunde lapidare Bemerkung, dass die Medien nicht die Feinde des Volkes seien, wie aber ihr Vater meint.

Ist Ivanka damit nicht deutlich auf Distanz gegangen zu Donald Trump? Beginnt sie sich von ihm abzusetzen? Ihre Stimme ist weich; laut wird sie nie, und was sie sagt, lässt jede Schärfe vermissen, jegliche Zuspitzung. Es gibt Lehrgänge, bei denen man lernt, so zu reden, dass man nirgendwo aneckt – selbst wenn man nur noch Phrasen aneinanderreiht. Ivanka Trump, aufgewachsen in den besseren Kreisen New Yorks, klingt, als wäre sie die Musterschülerin eines solchen Kurses gewesen. Sie klingt wie ein Kontrastprogramm zu ihrem Vater.

Fluchen wie ein Matrose

Dass sie eigentlich anders ist, schildert die Journalistin Emily Jane Fox in einem neuen Buch mit dem Titel "Born Trump". Die Frau spiele eine Rolle, schreibt Fox. In Wahrheit sei sie interessanter, widersprüchlicher – und "sie kann fluchen wie ein Matrose". Sie pflege ein Image, das nicht zu ihr passe. Egal: Spätestens seit ihrem Einzug ins Küchenkabinett des Weißen Hauses ist sie nur noch die Musterschülerin. Milde im Ton und in der Substanz gewiss nicht der Gegenentwurf zur Politik Donald Trumps.

Zur Trennung von Eltern und Kindern am Rio Grande hat sie wochenlang geschwiegen. Während viele Amerikaner ihrer Empörung Luft machten, twitterte sie ein Foto, das sie an einem Sonntagmorgen mit ihrem zweijährigen Sohn zeigte. Ob sie taub und blind sei, wurde sie gefragt.

Ihr Auftritt im Newseum ist denn auch ein verspäteter Versuch, der Kritik die Spitze zu nehmen – ohne anzuecken bei ihrem Vater. "Meine Mutter ist in der kommunistischen Tschechoslowakei aufgewachsen, doch sie kam legal in dieses Land", sagt sie. Ein Rechtsstaat dürfe keine Anreize für Leute schaffen, die ihre Kinder Gefahren aussetzen, indem sie sich auf eine gefährliche Reise mit Schleppern begeben. "Das sind unglaublich schwierige Fragen, und mich berühren sie auf sehr emotionale Weise."

Rollenverteilung im Wahlkampf

Zufall ist er nicht, der Auftritt, mit dem Ivanka nach längerer Pause wieder ins Rampenlicht tritt. Im November stehen Kongresswahlen an, eine Art Referendum über Trump. Begreift man dessen Familie als eingespieltes Wahlkampfteam, dann übernimmt die älteste Tochter den Part der Sanften, während ihr Vater donnert und wütet und die Wahrheit verbiegt – Hauptsache, der harte Kern seiner Anhänger feiert ihn als Rebellen. Die Rollenverteilung hat schon 2016 funktioniert. Auch weil Ivanka so beruhigend nett wirkte, glaubten schwankende Wähler, dass Donald Trump den Wüterich nur spiele und damit schon aufhören werde, wenn er erst im Oval Office sitze.

Jedenfalls bleibt sie im Weißen Haus. Noch vor kurzem hatte es Gerüchte gegeben, wonach es sie samt Familie zurück nach New York ziehe – bloß weg aus Washington, dieser Schlangengrube. Dann aber ließ sie wissen, dass sie ihre Modemarke abwickelt, um in der Regierungszentrale zu bleiben. Natürlich zusammen mit ihrem Mann Jared Kushner. Das Duo "Javanka", Jared und Ivanka, von Voreiligen bereits abgeschrieben, wird weiter am Tisch sitzen.

Aus dem Schatten treten

Auch für Kushner ist es der Versuch, wieder aus dem Schatten zu treten und seine Position im Dauerduell mit John Kelly, Trumps resolutem Stabschef, zu stärken.

Sein Schwiegervater hatte ihn einst zu einer Art Wunderknaben erklärt und ihm Schlüsselprojekte seiner Außenpolitik übertragen: China, Mexiko, der Nahe Osten. Dort ist der ehemalige Immobilienunternehmer komplett gescheitert, zumal die Palästinenser in den USA keinen neutralen Vermittler mehr sehen. Im Frühjahr veranlasste Kelly, Kushner dürfe nicht mehr alle Geheimdienstinformationen lesen. Zuvor waren Presseberichte erschienen, nach denen China, Mexiko, Israel oder die Vereinigten Arabischen Emirate Informationen über Kushners Geschäfte nutzen könnten, um ihn politisch zu beeinflussen.

Irgendwann machte selbst der Präsident Witze auf Kushners Kosten, kolportiert von der "New York Times": Er hätte Tom Brady, den Footballstar, zum Schwiegersohn haben können, soll Trump gespöttelt haben. "Stattdessen bekam ich Jared Kushner."

Das alles will Ivanka Trump vergessen lassen. Sie habe sich großen Aufgaben zu widmen, betont sie im Newseum; etwa einer Reform, die endlich bezahlten Mutterschutz garantiere. "Wussten Sie das? Wir sind neben Papua-Neuguinea das einzige Land, das Müttern nach der Geburt eines Kindes keinen Schutz bietet." (Frank Herrmann aus Washington, 7.8.2018)