Rund 950 Asylwerber absolvieren aktuell eine Lehre, die meisten davon in Oberösterreich.

Foto: Land Oberösterreich

Der Streit rund um die mögliche Abschiebung von Asylwerbern, die in Österreich eine Lehre absolvieren, reißt nicht ab. Am Mittwoch ist der grüne Integrationslandesrat aus Oberösterreich, Rudi Anschober, in die Offensive gegangen. Anschober präsentierte eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sora dazu, wie die Österreicher über die Lehrlinge denken.

Sora hat in der vergangenen Woche rund 900 Personen befragt, und das Ergebnis fiel eindeutig aus: Rund 80 Prozent sprachen sich in der repräsentativen Umfrage gegen die Abschiebung der Asylwerber während der Lehrzeit aus. Laut Bettina Leibetseder vom Sora-Institut gibt es über alle Parteigrenzen hinweg eine klare Mehrheit für ein Bleiberecht während der Ausbildungszeit, selbst unter Menschen, die politisch zu der FPÖ tendieren, sei das der Fall.

Unternehmer kämpfen für Lehrlinge

Rund um die Lehrlinge tobt in Österreich seit Monaten ein politischer Streit. Etwa 950 Asylwerber absolvieren aktuell eine Lehre in einem Mangelberuf. Die Voraussetzungen sind: Die Menschen müssen unter 25 Jahre alt sein, für den Ausbildungsplatz darf kein Österreicher oder ein schon hier lebender geeigneter Migrant zur Verfügung stehen.

Die Ausbildungszeit schützt allerdings nicht vor einer möglichen Abschiebung. Die meisten der Lehrlinge sind Afghanen, weil bei ihnen die Asylverfahren besonders lange dauern, oft drei oder mehr Jahre. Zudem sind für Afghanen die Chancen geringer, eine positive Entscheidung im klassischen Asylverfahren zu bekommen. Sich einen Ausbildungsplatz zu suchen ist daher für viele die bessere Option.

Besonders in Oberösterreich sind viele Asylwerber in Betrieben tätig, die oft über Jahre hinweg keine Lehrlinge mehr gefunden haben. Dachdecker sind ein typisches Berufsbild, aber auch in Hotellerie und Gastwirtschaft sind Asylwerber-Lehrlinge bei vielen Unternehmen begehrt.

Viele Unternehmen und zahlreiche NGOs setzen sich gegen die Abschiebung der Asylwerber ein. Auch aus der Wirtschaftskammer wird immer wieder eine Lösung gefordert, die ein Bleiberecht ermöglich. Laut Anschober, der die Initiativen koordiniert, machen sich bereits mehr als 600 Unternehmern für die Lehrlinge stark.

Neues Gutachten

Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien hat im Auftrag Anschobers ein Gutachten dazu erstellt, wie die mögliche Abschiebung der Lehrlinge juristisch zu bewerten ist. Präsentiert hat es am Mittwoch der Menschenrechtsexperte und Leiter des Instituts, Manfred Nowak. Laut Nowak sei es zumindest fraglich, ob die Abschiebung der Lehrlinge mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar ist.

Eine Abschiebung stellt einen Eingriff in das Recht der Betroffenen auf ihr Privat- und Familienleben dar. Ein solcher Eingriff ist laut EMRK möglich, jedoch nur unter klar definierten Voraussetzungen. Um eine Rückkehrentscheidung zu rechtfertigen, muss eine Interessenabwägung erfolgen. Auf der einen Seite steht dabei das Interesse des Betroffenen am Verbleib im Land, auf der anderen Seite die Interessen, die für eine Abschiebung sprechen. Laut Nowak wird in Entscheidungen typischerweise oft damit argumentiert, dass eine Aufenthaltsbeendigung geboten ist, weil dies das wirtschaftliche Wohl des Landes verlangt. Das Argument geht so: Ohne funktionierende Beschränkung des Zuzugs, also ohne staatliche Steuerung, sei das wirtschaftliche Wohl Österreichs bedroht – deshalb seien auch Abschiebungen notwendig.

In vielen Asylentscheidungen von Behörden werden Abschiebe-Entscheidungen derart begründet. Im Fall der Lehrlinge sei diese Begründung zweifelhaft, sagt Nowak, weil hier ja ein konkretes wirtschaftliches Interesse an einem Verbleib der Menschen besteht.

Regierung bisher gegen Bleiberecht

Aktuell ist laut Anschober rund ein Drittel der Asylwerber von Abschiebung betroffen, weil sie einen negativen Asylbescheid erhalten haben. Von Regierungsseite wurde ein Bleiberecht für die Betroffenen bisher ausgeschlossen. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sprach davon, dass es kein "Asyl durch die Hintertür geben dürfe". Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl lehnte ein Bleiberecht am Dienstag in der "ZiB 2" ebenfalls ab. Es gebe genug Flüchtlinge, die auf Jobsuche sind, auf diese solle man sich konzentrieren.

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) dagegen hat von der Regierung eine Lösung im Sinne der Lehrlinge gefordert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte es "Unsinn, Lehrlinge abzuschieben", die integriert sind und von Unternehmen benötigt werden. (András Szigetvari, 8.8.2018)