Viele behaarte Beinchen zum Impulstanz-Finale: die Produktion "Insect Train" von Cecilia Bengolea & Florentina Holzinger.

Foto: Ali Tollervey

Wie jedes Jahr ist Impulstanz auch diesmal wieder ein verlässlicher Wiener Festival-Höhepunkt. Gegründet 1984, hat Impulstanz in Österreich maßgeblich zur Emanzipation des zeitgenössischen Tanzes gegenüber traditionell etablierteren Livekünsten wie dem Theater beigetragen. Aber ist es auch heute noch so wichtig wie in früheren Zeiten? Und wie ist die Ausgabe von 2018, die am Sonntag zu Ende geht, gelungen? Eine Bilanz in Punkten.

1. Programm: Als Publikumsfestival zählt der viereinhalbwöchige Marathon nach wie vor zu den weltweit größten Veranstaltungen seiner Art. Diesen Sommer stehen "nur" 42 Companies auf dem Programm. Zum Vergleich: 2017 waren es 59. Impulstanz-Intendant Karl Regensburger hat vorsichtiger programmiert, weil eine große EU-Subvention mit großer Verspätung erst nach Festivalbeginn fix zugesagt wurde. Trotzdem bleibt die Dichte des Gebotenen enorm: Neben den Performances im Hauptteil gab es ein Nachwuchs-Festival-im-Festival, ein Kooperationsprogramm mit dem Mumok, ein Filmprogramm, einen Tanzwettbewerb, ein Symposium. Und das riesige Workshop-Festival mit 233 Kursen im Arsenal, das weiterhin international konkurrenzlos bleibt. Bis Festivalende werden etwas mehr als 120.000 Besucher bei den Aufführungen und Workshops gewesen sein, 2017 wurden knapp 127.500 gezählt. Die Auslastung: 97 Prozent, im Vorjahr waren es 96 Prozent.

2. Mischung: Das Erfolgsrezept des Impulstanz-Festivals ist nach wie vor: ästhetische Bandbreite, hohe Qualität, wenig Scheu vor Experimenten. Größere Produktionen kommen meist von etablierten Choreografinnen und Choreografen, denen das Publikum bereits seit Jahren folgt, diesmal von Anne Teresa De Keersmaeker und Marie Chouinard. Die Ausnahme war Florentina Holzingers Apollon im Volkstheater. Ein kuratorisches Versäumnis: Das überragende Stück Bacchae – Prelude to a Purge von Marlene Monteiro Freitas, das im Vorjahr beim Steirischen Herbst für Furore sorgte, schaffte es nicht ins Programm.

3. Nachwuchs: Die [8:tension]-Reihe für junge Choreografie verlief ambivalent. Herausragend waren Mining Stories von Silke Huysmans und Hannes Dereere sowie Cuckoo von Jaha Koo. Eher kindisch dagegen blieben die Beiträge von Alex Baczynski-Jenkins, Orfelia Jarl Ortega und Jamila Johnson-Small. Viele Veranstalter klagen derzeit über einen krisenhaften Mangel an relevanten Nachwuchsstücken. Unter den heimischen Produktionen bei Impulstanz künstlerisch am besten abgeschnitten haben bisher Anne Juren mit ihrer mehrteiligen Private Anatomy Lesson und in [8:tension] eine Soloarbeit von Karin Pauer.

4. Qualität: Zu den künstlerischen Höhepunkten im Hauptprogramm von Impulstanz zählten Mark Tompkins mit seinem Solo Stayin Alive und im Programm des Mumok Eszter Salamons Monument 0.3: The Valeska Gert Museum. Bemerkenswert waren auch Unwanted von Dorothée Munyaneza, Clara Fureys When Even The und Choy Ka Fais Dance Clinic. Sie stehen im Gegensatz zu platten Eitelkeiten, wie sie François Chaignaud und Andreas Spechtl mit Thomas Köck boten.

5. Fazit: Die Impulstanz-Ausgabe von 2018 lieferte einen unverzichtbar aufschlussreichen Blick auf Groß- und Kleinleistungen der zeitgenössischen Choreografie. Wirkliche Überraschungen und Neuentdeckungen aber waren nicht dabei. Erhärtet hat sich aber der Eindruck der künstlerischen Krise unter jungen Performanceschaffenden. (Helmut Ploebst, 10.8.2018)