Die österreichischen Behörden wollen grundsätzlich, dass sich der Fingerabdruck ihrer Bürger nur in einem Reisepass befindet.

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Wien – Viele Österreicher mit türkischen Wurzeln müssen derzeit zittern. In den vergangenen Tagen haben die Verwaltungsgerichte in Wien und Vorarlberg, wie berichtet, in ersten Urteilen bestätigt, dass jenen Personen, die sich auf einer von der FPÖ an die Behörden übermittelten türkischen Wählerevidenz befanden, die österreichische Staatsbürgerschaft abzuerkennen ist. Die Gerichte legen die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführer sehr streng aus. So wird nicht geglaubt, dass sie in der Türkei keinen Auszug aus dem dortigen Personenstandsregister bekommen können oder dass sie ohne ihre Zustimmung die türkische Staatsbürgerschaft bekommen haben. Das wirft nun zahlreiche Fragen auf. Ein Überblick.

Frage: Können jene, die die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren, dann überhaupt noch in Österreich arbeiten?

Antwort: Der Vorstand des AMS, Johannes Kopf, geht davon aus, dass das in aller Regel weiter möglich sein wird. Grund ist ein Assoziationsabkommen mit der Türkei, laut dem Personen, die länger als fünf Jahre in Österreich waren, ohne weitere Bewilligung arbeiten dürfen. Das sollte bei Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft bereits hatten, eigentlich so gut wie immer der Fall sein. Der Arbeitsmarktzugang gelte auch für Familienangehörige. Sollte ein Arbeitgeber Zweifel haben, ob er einen Türken anstellen darf, könnte sich der Jobsuchende eine entsprechende Bestätigung vom AMS holen. Probleme könnten laut Kopf nur jene bekommen, die Österreich zwischenzeitlich verlassen haben und dann wieder zurückgekommen sind.

Frage: Ist diese Rechtsansicht unstrittig?

Antwort: Nach STANDARD-Informationen gibt es beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) durchaus Experten, die Kopfs Einschätzung nicht teilen. Zu Wort melden wollte sich vorerst aber niemand. Diese Frage sei nie offiziell geklärt worden, weil es bisher kaum Anlassfälle gab, heißt es. Die Frage des Arbeitsmarktzugangs prüft jedenfalls das AMS, das BFA kann aber prüfen, ob der Betroffene ausgewiesen werden könnte.

Frage: Ist es wahrscheinlich, dass nun Türken, die keine österreichische Staatsbürgerschaft mehr haben, ausgewiesen werden?

Antwort: Nein. Im Innenministerium geht man davon aus, dass die allermeisten Personen einen sogenannten humanitären Aufenthalt bekommen werden. Wegen Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention ("Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens") wäre eine Ausweisung von unbescholtenen Menschen, die bereits über Jahre in Österreich gelebt haben, wohl eine Menschenrechtsverletzung, so die Fachauskunft des Ressorts. Allerdings müsste der humanitäre Aufenthalt erst beantragt werden. Die Behörden müssten theoretisch binnen sechs Monaten entscheiden, praktisch kann ein solches Verfahren auch länger dauern.

Frage: Gibt es noch andere Möglichkeiten für ausgebürgerte Türken?

Antwort: Wer studiert, könnte auch eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende beantragen. Qualifizierte Fachkräfte wiederum können einen Antrag auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte stellen.

Frage: Könnte man auch wieder einen Antrag auf Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft stellen?

Antwort: Ja, für Personen, die bereits zehn Jahre in Österreich gelebt haben, gibt es die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft unter erleichterten Bedingungen wiederzuerlangen. Gedacht war die Regelung ursprünglich nicht für derartige Fälle. Zuständig für den Vollzug des Staatsbürgerschaftswesens sind die Länder. Sie müssen nun also entscheiden, wie sie diese Regelung auslegen.

Frage: Wenn ich die Staatsbürgerschaft verliere, muss ich dann auch bezogene Sozialleistungen wie die Mindestsicherung oder die Familienbeihilfe zurückzahlen?

Antwort: Die Arbeitsrechtler Franz Marhold und Walter Pfeil halten das für äußerst unwahrscheinlich. Selbst wenn gerichtlich festgestellt wurde, dass jemand von der Illegalität seiner Doppelstaatsbürgerschaft wusste, wäre eine Rückforderung nicht so einfach möglich. Man müsste der Person zusätzlich nachweisen, dass sie wusste, dass sie wegen des Verlusts der Staatsbürgerschaft auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen hat. Es müsste also sozialrechtliches Vorwissen vorhanden gewesen sein.

Frage: Gibt es andere Bereiche, in denen die Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft ein Problem werden kann?

Antwort: In bestimmten Regionen dürfen Ausländer keine Immobilien kaufen, das regelt das Ausländergrunderwerbsgesetz. Hat ein Türke, der gar keine österreichische Staatsbürgerschaft haben hätte dürfen, also in einer solchen Region eine Wohnung oder ein Haus gekauft, wäre der Kaufvertrag laut Marhold unwirksam. Die Behörden müssten laut ihm von Amts wegen den Kauf rückabwickeln. (Günther Oswald, Katharina Mittelstaedt, 9.8.2018)